Die Dornenvögel
wenn es privatim bei Dane und Ralph bleiben würde. Seine Eminenz wird nichts dagegen haben - nicht wahr, Vittorio?«
»Nein, ich bin durchaus für die Anrede mit Vornamen. Aber um auf das Thema zurückzukommen, das ich zuvor gerade angeschnitten habe ... es kann auch von Nachteil sein, hochgestellte Freunde zu haben, mein Sohn. In gewisser Weise jedenfalls. Ich meine, wenn Sie jetzt in irgendein Seminar eintreten und Ihre langjährige Freundschaft mit Ralph spricht sich herum, so wäre es doch äußerst mühselig, sich jeweils in langatmigen Erklärungen darüber ergehen zu müssen, wie sich dieses ... dieses Freundschaftsverhältnis ergeben hat. In solchen Fällen gestattet unser Herrgott eine kleine fromme Lüge« - er lächelte, seine Goldkronen blitzten -, »und ich würde es vorziehen, daß wir zu aller Nutzen zu einer solchen kleinen List unsere Zuflucht nehmen. Denn es kann schwierig werden, zufriedenstellend das Band der Freundschaft zu erklären, während sich für die Bande des Blutes allemal eine plausible Erklärung findet. Und deshalb, mein guter Dane, werden wir sagen, Kardinal de Bricassart sei Ihr Onkel - und es dabei belassen.« Dane sah schockiert aus, Ralph wirkte resigniert. »Seien Sie nicht enttäuscht über die sogenannten Großen«, sagte Kardinal di Contini-Verchese sacht. »Auch sie haben tönerne Füße und schaffen sich gern mit Hilfe kleiner frommer Lügen bequeme Nischen. Die Lektion, die Sie gerade gelernt haben, könnte für Sie sehr nützlich sein, aber wenn ich Sie so betrachte, bezweifle ich sehr, daß Sie sie auch nützen werden. Aber Sie müssen verstehen, daß wir scharlachroten Herren bis in die Fingerspitzen Diplomaten sind. Ich denke wahrlich nur an Sie, mein Sohn. Neid und Mißgunst sind auf Priesterseminaren ebensowenig Unbekannte wie an weltlichen Schulen. Sie werden ein wenig darunter zu leiden haben, daß man glaubt, Ralph sei Ihr Onkel, der Bruder Ihrer Mutter. Sie würden weit mehr zu leiden haben, wenn man dächte, daß zwischen Ihnen beiden keine Blutsbande bestehen. Zunächst einmal sind wir alle Menschen, und mit Menschen haben Sie es in dieser Welt zu tun.« Dane ließ den Kopf sinken, schien einen Augenblick zu grübeln. Aber dann beugte er sich vor, streckte die Hand aus, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. »Darf ich? Ich liebe Katzen, Euer Eminenz.«
Einen direkteren Weg zu dem alten, doch beständigen Herzen hätte er nicht finden können.
»Sie dürfen. Ich muß gestehen, daß sie mir ein wenig schwer wird. Du bist wirklich ein richtiger Vielfraß, Natascha, nicht wahr? Geh zu Dane; er ist die neue Generation.«
Justine konnte ihrem Bruder längst nicht so schnell nach Europa folgen, wie sie es sich gewünscht hätte. Zunächst einmal mußte die Saison im Culloden-Theater zu Ende gehen. Als Justine dann soweit war, mitsamt ihren Habseligkeiten von Bothwell Gardens fortzuziehen, was sie nicht ohne ein gewisses Bedauern tat, befand Dane sich bereits zwei Monate in Rom.
»Wie, um alles auf der Welt, hab’ ich’s nur geschafft, soviel Plunder anzuhäufen?« fragte sie, als sie in ihrer Wohnung inmitten von Kisten und Kartons, Kleidern, Zeitungen und Büchern stand. »Wie kommt denn das hier unter dein Bett?« sagte Meggie, die ihrer Tochter half. Eine Schachtel in der Hand, kniete sie auf dem Fußboden.
»Ach, da sind die Reserveseifenlappen! « rief Justine erleichtert. »Na, Gott sei Dank! Ich dachte schon, Mrs. D’s kostbarer Pudel hätte sie gefressen. Der ist nämlich schon seit einer Woche nicht ganz in der Reihe, und ich weiß doch, daß er alles frißt, was nicht zuerst ihn frißt. Der hat vielleicht schon Sachen verkonsumiert! Also, ich werde ihn nicht gerade schmerzlich vermissen.«
Meggie bog den Kopf zurück und lachte. »Oh, Jus! Weißt du, wie komisch du bist?« Sie warf die Schachtel auf den Berg, der sich bereits auf dem Bett türmte. »Also daß du uns Ehre machst, läßt sich nicht gerade behaupten. Ich meine, wo du doch zu Ordnung und Sauberkeit erzogen worden bist.«
»Das stand doch von vornherein fest, daß ich ein hoffnungsloser Fall bin. Willst du das Zeug nach Drogheda mitnehmen? Mein Reisegepäck ist ja beschränkt, und in London gibt’s mit Sicherheit genügend Seifenlappen - tonnenweise.«
»Ich glaube, wir werden sie am besten zu den Sachen tun, die du Mrs. Devine hinterläßt. Sie wird schon Verwendung dafür haben.« Meggie blickte zu dem Stapel schmutziger Teller am Ende des Tischs. Deutlich ließ sich erkennen,
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