Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
Vom Netzwerk:
die sich Heizgeräte oder Heizöfen nannten und kaum einen Hauch Wärme hergaben.
    All das blieb Justine jedoch erspart. In Kensington mietete sie sich ein sogenanntes Mews-Flat, eine, wenn man so wollte, separierte Wohnung, mit richtiger, prächtiger Zentralheizung. Außerdem gelang es ihr, bei der Theatergesellschaft von Clyde Daltinham-Roberts - der Elisabethanischen Gruppe - angenommen zu werden. Im Sommer fuhr sie dann mit dem Zug nach Rom. Später lächelte sie oft darüber, wie wenig sie während der langen Reise durch Frankreich und Italien eigentlich wahrgenommen hatte. So angespannt war sie damit beschäftigt, immer wieder alles durchzugehen, was sie Dane erzählen wollte, erzählen mußte. Es gab ja so unendlich viel, daß sie bestimmt die Hälfte vergessen würde. War das Dane? War jener hochgewachsene blonde Mann auf dem Bahnsteig Dane? Er sah gar nicht anders aus als früher und wirkte dennoch wie ein Fremder. Es war, als ob er einfach nicht mehr
    zu ihrer Welt gehörte.
    Sie hatte mit einem lauten Zuruf seine Blicke auf sich lenken wollen, doch sie blieb stumm. Aufmerksam beobachtete sie ihn, während der Zug zum Stehen kam, und zwar so, daß sie den nicht sehr weit Entfernten durch ihr Abteilfenster bequem im Auge behalten konnte. Sie sah, wie sein Blick mit eigentümlicher Gelassenheit - mit einer Ruhe sondergleichen - von Zugfenster zu Zugfenster glitt, und...
    Verdammt! dachte sie. Das wird eine sehr einseitige Unterhaltung zwischen uns werden, denn er sieht mir ganz und gar nicht so aus, als ob er mir irgend etwas über sein Leben mitteilen möchte. Verdammt, verdammt! Er war nicht mehr ihr kleiner Bruder. Sein Leben war von ihrem so verschieden wie beider Leben von dem Leben auf Drogheda - eine Welt von Unterschieden. Oh, dein Leben, Dane! Wie ist es?
    Sie schlich sich so geschickt an ihn heran, daß sie ihn gleichsam von hinten überrumpelte. »Ha! Hast schon gedacht, ich würde dich versetzen, was?«
    Er drehte sich zu ihr herum, nahm ihre Hände, blickte sie lächelnd an. »Frechdachs«, sagte er liebevoll. Er hob den größeren ihrer Koffer hoch, zog ihren freien Arm unter seinen freien Arm. »Wie schön, dich wiederzusehen!« »Dito!« erwiderte sie lachend.
    Sie stiegen in den roten Lagonda, den er fuhr. Dane war seit jeher ein Sportwagenfan gewesen, und seit er einen Führerschein besaß - er machte ihn sofort nach Erreichen der erforderlichen Altersgrenze -, hatte ihm auch stets ein solches Auto gehört.
    »Hoffentlich hast du ein hübsches Hotel oder so was für mich gefunden«, sagte sie, »denn mit dem, was ich dir geschrieben habe, ist es mir ernst. Ich weigere mich strikt, in einer Vatikanzelle mit einem Haufen Leute zusammengepfercht zu werden, die allesamt das
    Keuschheitsgelübde abgelegt haben.« Sie lachte. »Dort würde man dich auf gar keinen Fall haben wollen. Ich habe nicht weit von mir in einer kleinen Pension etwas für dich gemietet. Da man dort englisch spricht, kannst du auch ohne meine Hilfe ganz gut zurechtkommen. Überhaupt ist es in Rom kein Problem, sich mit Englisch zu behelfen. Gewöhnlich findet sich jemand, der wenigstens ein paar Worte spricht.«
    »Unter solchen Umständen wünsche ich immer, ich hätte dein Talent für Fremdsprachen. Aber ich werde schon durchkommen. Wenn’s auch mit anderen Sprachen hapert - in Pantomime bin ich dafür ganz große Klasse.«
    »Ich habe zwei Monate, Jussy, ist das nicht großartig? Wir können uns ein bißchen in Frankreich und Spanien umsehen, es bleibt immer noch ein Monat auf Drogheda. Fehlt mir doch, die alte Heimat.« »Wirklich?« Sie drehte den Kopf und musterte ihn von der Seite, blickte auf die schöngeformten Hände, die das Auto lenkten. »Na, mir fehlt sie gar nicht. London ist viel zu interessant.« »Mir kannst du nichts vormachen«, sagte er. »Ich weiß doch, was Drogheda und Mum für dich bedeuten.«
    Justines Hände, die auf ihrem Schoß lagen, krümmten sich unwillkürlich zusammen. Sie gab keine Antwort.
    »Hättest du etwas dagegen, heute nachmittag mit einigen Freunden von mir Tee zu trinken?« fragte er, als sie in der Pension waren. »Ich habe bereits im voraus für dich akzeptiert. Sie sind sehr begierig darauf, dich kennenzulernen, und da ich sozusagen erst morgen ein freier Mann bin, wollte ich nicht gern nein sagen.« »Dummkopf. Weshalb sollte ich etwas dagegen haben? Wenn wir in London wären, würde ich dich mit meinen Freunden überschwemmen. Warum also sollte ich mit deinen nichts zu tun

Weitere Kostenlose Bücher