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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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ihn nur dann zu akzeptieren, wenn Du Dich gründlich vergewissert hast, daß er dies auch wirklich und wahrhaftig will. Und zweitens - solltest Du dessen sicher sein, so versprich mir, Deine Augen auf ihm zu haben, damit Du stets weißt, ob es auch immer noch das ist, was er wirklich möchte. Sollte er eines Tages anderen Sinnes sein, so will ich ihn zurückhaben. Denn mir hat er zuerst gehört. Ich bin es, die ihn Dir gibt.« »Dane«, fragte der Kardinal, »bist du dir sicher?« »Absolut.« »Warum?«
    Die Augen wirkten eigentümlich entrückt: Etwas unbehaglich Vertrautes hatte das, jedoch etwas Vertrautes, das der Vergangenheit angehörte.
    »Weil ich Gott liebe. Ich möchte ihm mein ganzes Leben lang als Priester dienen.«
    »Bist du dir darüber im klaren, was es erfordert, in seinem
    Dienst zu sein, Dane?« »Ja.«
    »Daß zwischen dir und ihm nie eine andere Liebe stehen darf? Daß du ausschließlich ihm gehörst und niemandem sonst?« »Ja.«
    »Daß in allen Dingen sein Wille geschehe? Daß du in seinem Dienst verzichten mußt auf eine eigene Persönlichkeit, eine eigene Individualität, auf die Vorstellung von dir selbst, du seist von einzigartiger Wichtigkeit?« »Ja.«
    »Daß du, falls nötig, in seinem Namen Hunger, Gefangenschaft und selbst den Tod erleiden mußt? Daß du nichts besitzen darfst und nichts wertschätzen, das deine Liebe zu ihm mindern könnte?« »Ja.«
    »Bist du stark, Dane?«
    »Ich bin ein Mann, ein Mensch, Euer Eminenz. Ich weiß, daß es sehr schwer sein wird. Aber ich bete darum, daß ich mit Gottes Hilfe die Kraft finden werde.«
    »Und muß es dies sein, Dane? Würde nichts anderes dich zufriedenstellen können?« »Nichts.«
    »Und falls du später irgendwann anderen Sinnes würdest - was würdest du tun?«
    »Nun, ich würde darum bitten, gehen zu dürfen«, sagte Dane überrascht. »Und für einen solchen Entschluß könnte es immer nur einen Grund geben: daß ich zu der Erkenntnis gekommen wäre, doch nicht berufen zu sein. Ich würde Gott um nichts weniger lieben, doch wüßte ich dann, daß er nicht will, daß ich ihm auf diese Weise diene.«
    »Doch wenn du die endgültigen Gelübde abgelegt hast, gibt es kein Zurück mehr. Dann bist du auf immer gebunden.« »Das weiß ich«, sagte Dane ruhig. »Aber wenn ich meinen Entschluß ändern sollte, so würde das vorher geschehen.« Mit einem unhörbaren Seufzen lehnte sich der Kardinal in seinen Sessel zurück. War er seiner selbst je so sicher gewesen? Hatte er je soviel Kraft bewiesen? »Warum bist du zu mir gekommen, Dane? Und warum überhaupt nach Rom? Weshalb bist du nicht in Australien geblieben?«
    »Mum schlug Rom vor, aber ich hatte schon lange davon geträumt. Allerdings nahm ich immer an, dafür sei nicht genügend Geld vorhanden.«
    »Deine Mutter ist sehr klug. Sie hat es dir also nicht gesagt?« »Was denn gesagt, Eminenz?«
    »Daß du ein jährliches Einkommen von fünftausend Pfund hast und daß du bereits ein Bankkonto von vielen tausend Pfund besitzt.« Durch Danes Körper ging es wie ein kaum wahrnehmbarer Ruck. »Nein. Das hat sie mir nie gesagt.«
    »Sehr klug. Aber das Geld ist vorhanden, und wenn du Rom haben willst, so kannst du’s haben. Willst du’s?« »Ja.«
    »Und warum willst du mich, Dane?«
    »Weil Sie für mich der Inbegriff eines vollkommenen Priesters sind, Eminenz.«
    Das Gesicht des Kardinals wirkte für einen Augenblick eigentümlich starr. »Nein, Dane, so kannst du mich nicht sehen. Ich bin weit davon entfernt, ein vollkommener Priester zu sein. Ich habe alle meine Gelübde gebrochen, verstehst du? Ich mußte erst lernen, was du bereits zu wissen scheinst. Und ich mußte es auf die schmerzlichste Art lernen, die es für einen Priester gibt - indem ich meine Gelübde brach. Denn ich wollte nicht wahrhaben, daß ich zunächst einmal ein Mann und ein Mensch war und dann erst ein Priester.« »Euer Eminenz, das ist nicht wichtig«, sagte Dane leise. »Sie bleiben für mich dennoch der Inbegriff des vollkommenen Priesters. Aber ich glaube, ich habe nicht deutlichgemacht, was ich damit meine. Ich meine keinen außermenschlichen Automaten, der über alle Schwächen des Fleisches erhaben ist. Ich meine, daß Sie gewiß manches durchlitten haben und daran gereift sind. Das klingt sicher sehr anmaßend von mir, eingebildet, ja? Bitte, verzeihen
    Sie, falls ich Sie gekränkt habe. Es fällt mir nur so schwer, meine Gedanken richtig in Worte zu kleiden! Was ich sagen will - um ein vollkommener

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