Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
Vom Netzwerk:
sich die Götter versammeln.« Anne lachte. »Allmählich wirst du wirklich eine alte Frau. Hör auf!«
    »Ich kann nicht. Ich kann nicht. Und ich bin eine alte Frau.« »Unsinn, im mittleren Alter bist du und auf jeden Fall jung und gesund genug, um nach Rom zu fliegen.«
    »Ach, laß mich endlich in Ruhe!« sagte Meggie heftig und nahm wieder ihr Buch zur Hand.
    Die Wege vieler führen nach Rom, Allerweltstouristen, Geschäftsleute, Künstler. Doch mitunter befindet sich darunter auch eine Gruppe, die sich vereint weiß in einem einzigartigen Gefühl des Stolzes. Diese Menschen sind gekommen, um mitzuerleben, wie in der großen Basilika der Christenheit jener zum Priester geweiht wird, der ihr Sohn oder ihr Neffe, ihr Vetter oder ihr Freund ist. Manche von ihnen wohnen in bescheidenen Pensionen, manche in Luxushotels, andere bei Freunden und Verwandten. Doch eint sie das wunderbare Gefühl völliger Harmonie mit sich selbst und mit der Welt.
    Natürlich absolvieren sie die Sehenswürdigkeiten der Ewigen Stadt: die Vatikanischen Museen mit der Sixtinischen Kapelle, das Forum Romanum, das Kolosseum, die Via Appia, die Spanische Treppe, den gefräßigen Trevi-Brunnen, die sonet lumiere. Man wartet auf den Tag, man füllt die Zeit aus.
    Anders als sonst war es diesmal nicht Dane, der Justine auf dem Bahnsteig erwartete. Er hatte jetzt seine geistlichen Übungen. Es war Rainer Moerling-Hartheim, und als Justine ihn stehen sah, fühlte sie sich wieder an ein großes Tier erinnert. Er küßte sie nicht zur Begrüßung, das tat er nie. Statt dessen legte er einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. »Doch ein Bär«, sagte Justine.
    »Doch ein Bär?«
    »Ja. Als ich dich zum ersten Mal sah, dachte ich, du wärst das langgesuchte missing link, falls du weißt, was ich meine. Aber jetzt finde ich doch, daß du mehr von einem Bären als von einem Gorilla an dir hast. Der Gorilla war kein netter Vergleich.« »Und der Vergleich mit einem Bären ist freundlicher?« »Na ja, mag schon sein, daß sie einem genauso schnell den Garaus machen, aber irgendwie sind sie jedenfalls knuddliger.« »Na, danke«, sagte er, »wenn das kein Kompliment ist.« Sie hakte sich bei ihm ein, paßte ihren Schritt dem seinen an. Sie war nicht viel kleiner als er. »Wie geht’s Dane? Hast du ihn noch gesehen, bevor er sich zurückgezogen hat? Diesen Clyde könnte ich umbringen! Läßt mich erst so spät vom Theater weg!« »Dane geht’s wie immer.«
    »Du hast ihn doch nicht etwa auf Abwege geführt?« »Ich? Bestimmt nicht. Du siehst ganz reizend aus, Herzchen.« »Ich habe auch meinen allerbesten Benimm angelegt, und außerdem war ich in London auf der Jagd nach allem, was die Couturiers dort an interessanten Fetzen hatten. Gefällt dir mein neuer Rock? So was nennt man einen Mini.«
    »Geh mal ein Stück vor mir her, dann kann ich’s dir sagen.«
    Der Saum ihres Rocks reichte etwa bis zur Mitte der Oberschenkel. Sie ging einige Meter voraus, kehrte dann um, ihr Mini wirbelte. »Nun, wie findest du ihn, Rain? Ist er skandalös? In Paris habe ich noch keine gesehen, die so kurz trug.«
    »Er ist so etwas wie die Probe aufs Exempel, Herzchen. Bei so hübschen Beinen, wie du sie hast, wäre es skandalös, ihn auch nur einen Millimeter länger zu tragen. Die Römer werden mit mir bestimmt einer Ansicht sein.«
    »Verdammte Kerle! Die kneifen einen glatt in den Popo. Aber weißt du was, Rain?« »Nun, was?«
    »Vielleicht kann ich mit einem Mini doch einmal irgend so einen armen Prälaten provozieren.« »Kann sein, daß du mich provozierst.« Er lächelte. »Ist doch wohl nicht dein Ernst! Ich hätte gedacht, in so was Orangefarbenem würdest du mich nicht ausstehen können, wo sich das doch mit meiner Haarfarbe beißt.«
    »Ich würde eher sagen, es entflammt - die Sinne nämlich. Irgendwie scheint’s mir eine sehr aktive Farbe zu sein.«
    »Ach, du ziehst mich ja nur auf«, sagte sie ärgerlich, während sie in seinen Mercedes stieg. Vorn am Auto sah sie einen Stander: schwarz-rot-gold. »Seit wann hast du denn den?«
    »Seit ich meinen neuen Regierungsposten habe.« »Na, kein Wunder, daß mir die Ehre widerfuhr, in >News of the World< erwähnt zu werden. Hast du es gelesen?« »Du weißt doch, daß ich diese Schmierblätter nie lese.« »Ich auch nicht. Mir hat jemand die Ausgabe direkt vor die Nase gehalten.« Sie gab ihrer Stimme einen schrilleren, affektierten Klang. »Welche karottenköpfige australische Schauspielerin vertieft

Weitere Kostenlose Bücher