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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Es kam überaus selten vor, daß sie eine eigene Meinung vertrat. »Warum sollten wir unser Leben hier aufgeben und nach Australien gehen, um für sie zu arbeiten, nur weil sie uns in einem Brief Versprechungen macht? Sie hat noch nie auch nur den kleinen Finger gekrümmt, um uns zu helfen, und ich traue ihr nicht. Ich erinnere mich noch gut, daß du gesagt hast, so geizig wie sie sei so schnell keine zweite. Im übrigen ist sie für dich fast so etwas wie eine Fremde, bei dem großen Altersunterschied zwischen euch, meine ich. Als sie nach Australien ging, warst du noch nicht einmal alt genug für die Schule.« »Ich verstehe nicht, weshalb das jetzt etwas ändern sollte. Und wenn sie geizig ist - na, um so besser für uns. Dann gibt’s mehr zu erben. Nein, Fee, wir gehen nach Australien, und die Reise bezahlen wir aus eigener Tasche.«
    Fee schwieg. Ihr Gesicht verriet nicht, ob sie es ihm übelnahm, so überfahren zu werden.
    »Hurra, wir gehen nach Australien!« rief Bob und packte seinen Vater bei der Schulter. Jack, Hughie und Stu führten wilde Freudentänze auf, und Frank lächelte. Sein Blick war auf niemanden gerichtet, er schien an einem sehr fernen Punkt zu haften. Auch bei ihm war die freudige Erregung jetzt unverkennbar. Nur Fee und Meggie blickten bedrückt: Für beide würde das Leben in Australien kaum leichter werden - es erwartete sie genau das gleiche wie hier, nur daß dort alles fremd für sie sein würde. »Wo liegt denn Gillanbone?« fragte Stu.
    Sofort wurde der alte Atlas hervorgeholt; trotz ihrer Armut stand bei den Clearys in der Küche, ein Stückchen hinter dem Eßtisch, ein Bücherregal. Jetzt blätterten die Jungen im vergilbten Atlas, fanden schließlich den gesuchten Teil von Australien: Neusüdwales. In ihrer Aufregung dachten sie nicht daran, einen Blick auf die untere linke Ecke zu werfen, wo der Maßstab angegeben war und man an einer Art Balken einen Anhaltspunkt für die Entfernung in Kilometern hatte. Sie nahmen ganz automatisch an, die Größenverhältnisse von Neusüdwales seien denen von der Nordinsel von Neuseeland gleichzusetzen. Und dort - dort oben links - war Gillanbone: von Sydney offenbar genausoweit entfernt wie Wanganui von Auckland - allerdings schien es, daß es dort weit weniger Städte gab als auf der Nordinsel von Neuseeland.
    »Ist ein ziemlich alter Atlas«, sagte Paddy. »Australien ist wie Amerika, entwickelt sich sprunghaft. Heutzutage gibt’s da bestimmt eine Menge Städte.«
    Natürlich würden sie als Zwischendeckspassagiere reisen, aber da es nur drei Tage dauerte, ließ es sich schon aushallen. Gar kein Vergleich mit der wochenlangen Überfahrt von England nach Australien oder Neuseeland. Viel von ihrer Habe würden sie allerdings nicht mitnehmen können, eigentlich nur: Kleidung, Porzellan, Bestecke, Tischzeug und ähnliches und - nun ja, jene so kostbaren Bücher aus dem Bücherregal. Auch die Kochutensilien kamen natürlich noch hinzu, aber ansonsten
    - was die Möbel betraf, die würde man verkaufen müssen, schon um einen Teil der Reisekosten abzudecken; und zum Mobiliar gehörte ganz automatisch auch so manches aus Fees Besitz: dies und das und jenes im Wohnzimmer, nicht zuletzt auch ihr Spinett und ihre Teppiche und ihre Stühle. »Kommt mir überhaupt nicht in Frage«, erklärte Paddy mit fester Stimme.
    »Du meinst ...« begann Fee.
    »Ich meine ... was dir lieb und teuer ist, kommt mit«, sagte Paddy. »Bist du sicher, daß wir uns das leisten können?« »Ganz sicher. Was das andere Mobiliar betrifft - nun, Mary schreibt ja, daß sie das Haus des Oberviehtreibers für uns bereitmachen läßt und daß da drin praktisch alles ist, was wir wohl brauchen. Ich bin ganz froh, daß wir nicht mit Mary im selben Haus wohnen werden.« »Ich auch«, versicherte Fee.
    Paddy fuhr nach Wanganui und buchte eine Zwischendeckkabine mit acht Betten. Das Schiff, auf dem sie reisen würden, war die »Wahine«: Ein sonderbarer Zufall wollte es, daß das Schiff denselben Namen trug wie die Stadt, in deren Nähe sie so lange gelebt hatten. Der Tag der Abreise war für Ende August festgesetzt, und zum Monatsanfang wurde dann allen klar, daß das große Abenteuer wirklich und wahrhaftig bevorstand. Die Hunde mußten fortgegeben, die Pferde und das Buggy verkauft werden. Die Möbel lud man auf den Karren des alten Angus MacWhirter, um sie zur Versteigerung nach Wanganui zu bringen, und Fees wenige Stücke, in Kisten verpackt und für den Transport auf dem Schiff

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