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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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bestimmt, nahm man dabei gleich mit; und auch das Porzellan und das Leinenzeug und die Bücher und die Küchensachen.
    Frank entdeckte seine Mutter im Wohnzimmer. Sie stand bei dem wunderschönen alten Spinett und strich sacht über das unebene, leicht rötlich schimmernde Holz. Dann blickte sie auf ihre Fingerspitzen, an denen ein wenig Goldstaub haftete - von den alten Ornamenten.
    »Hat es dir schon immer gehört, Mum?« fragte er. »Ja. Und was wirklich mir gehörte, konnten sie mir auch nicht wegnehmen, als ich heiratete. Das Spinett, die Perser, das Louis-quinze-Sofa und die Stühle, das Regency-Escritoire. Nicht viel, doch das gehörte rechtmäßig mir.« Die grauen, ernsten Augen blickten an Frank vorbei zu dem Ölgemälde, das hinter ihm an der Wand hing. Die Farben waren inzwischen ein wenig alterstrüb, doch das Bild zeigte immer noch deutlich eine Frau mit goldenen Haaren, die ein zartrosa Spitzenkleid trug, das mit einhundertundsieben Volants besetzt war.
    »Wer ist sie gewesen?« fragte er neugierig, während er den Kopf drehte. »Das habe ich schon immer wissen wollen.« »Eine große Lady.«
    »Eine Verwandte, nicht wahr? Ihr seht euch ein bißchen ähnlich.« »Sie? Eine Verwandte von mir?« Fees Augen, soeben noch in Betrachtung versunken, richteten sich ironisch auf Frank. »Sehe ich etwa so aus, als ob ich je eine solche Verwandte gehabt haben könnte?« »Ja.«
    »Das sind Hirngespinste. Wisch sie weg.« »Ich wünschte, du würdest es mir sagen, Mum.« Sie seufzte, schloß das Spinett, strich sich den Goldstaub von den Fingern. »Da gibt es nichts zu sagen, nichts zu erzählen, gar nichts. Komm, hilf mir, diese Sachen in die Zimmermitte zu rücken, damit Daddy sie packen kann.«
    Die Überfahrt war ein Alptraum. Noch bevor die »Wahine« den Hafen von Wellington richtig hinter sich gelassen hatte, wurden alle seekrank, und sie blieben es während der ganzen Reise: rund zweitausend Kilometer über die jetzt winterliche, stürmische See. Paddy ging mit den Jungen an Deck, und trotz des scharfen Windes und des ständigen Sprühregens aus Gischt blieb er mit ihnen dort. Ab und zu fand sich eine freundliche Seele, die sich um seine vier vom Brechreiz gemarterten Jungen kümmerte, und nur dann ging er zwischendurch hinunter, um nach Fee, Meggie und dem Baby zu sehen. Frank hatte beschlossen, sicherheitshalber bei seiner Mutter und seiner Schwester zu bleiben, so sehr er sich auch nach frischer Luft sehnte. In der winzigen Kabine war es stickig und stank zudem nach Öl. Sie lag unterhalb der Wasserlinie und sehr weit bugwärts, dort also, wo die Bewegungen des Schiffes am heftigsten waren. Nach wenigen Stunden auf See ging es Fiona so elend, daß Frank und Meggie glaubten, ihre Mutter müsse sterben. Ein sehr beunruhigter Steward holte aus der 1. Klasse den Arzt herbei, und dieser schüttelte pessimistisch den Kopf.
    »Gut, daß es nur eine kurze Reise ist«, sagte er und wies die Krankenschwester an, für das Baby Milch aufzutreiben. So fütterten Frank und Meggie, zwischen Anfallen von Brechreiz, den kleinen Hai mit der Flasche, was ihm gar nicht behagte; er sträubte sich sehr. Fee lag jetzt in einer Art Koma und reagierte auf nichts. Gemeinsam mit dem Steward legte Frank sie auf das obere Bett, wo die Luft nicht ganz so stickig war. Und dann hockte er sich oben dicht bei ihr auf die Kante und strich ihr das verklebte Blondhaar aus der Stirn, während er gleichzeitig ein Handtuch an seinen Mund hielt, um damit das gallenbittere, wäßrige Zeug abzufangen, das er noch immer erbrach. Trotz seiner eigenen Übelkeit blieb er Stunde um Stunde auf seinem Posten, und jedesmal, wenn Paddy in die Kabine kam, sah er Frank oben bei seiner Mutter, der er übers Haar strich, während auf einem der unteren Betten Meggie bei Hai hockte, auch sie ein Handtuch vor dem Mund. Als es nur noch drei Stunden bis Sydney waren, beruhigte sich die aufgewühlte See zu fast glasiger Glätte, und von der fernen Antarktis trieb Nebel herbei und hüllte das alte Schiff ein. Die »Wahine« glitt dahin wie durch endlos ewiges Grau, und in regelmäßigen Abständen klang von oben her ein tiefes, monotones Geräusch, ein eigentümlicher Heulton, so einsam und verloren, so voller Trauer und Klage. Und dann kam dieses Heulen von überall her, klang von vielen Schiffen, als die »Wahine« durch geisterhafte Nebelschwaden in den Hafen einlief. Nie vergaß
    Meggie dieses Geräusch, den Klang der Nebelhörner. Es war die erste Erinnerung,

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