Die Dornenvögel
mit der Faust auf den Tisch. Er hatte sich so darauf gefreut, seinen Vater zu begleiten, als Schafschererlehrling. Die Arbeit in Archibalds Schurhütte wäre sein erster Job gewesen. »Wie kann er nur so gemein zu uns sein, Daddy? Morgen sollten wir dort anfangen.«
»Gründe nennt er nicht, Bob. Aber ich nehme an, daß er jemand gefunden hat, der billiger arbeitet.« »Oh, Paddy!« seufzte Fee.
Das Baby begann zu schreien. Es lag in einer großen Korb wiege nicht weit vom Herd. Bevor Fee reagieren konnte, kümmerte sich bereits Meggie um den kleinen Hai. Frank stand jetzt im Türrahmen. Die Teetasse in der Hand, beobachtete er angespannt seinen Vater. »Nun ja«, sagte Paddy schließlich, »da muß ich wohl zu Archibald hin. Eine andere Schurhütte bekommen wir jetzt nicht mehr, dazu ist es zu spät. Aber ich meine doch, daß er mir eine Erklärung schuldig ist. Wir können nur hoffen, daß wir Arbeit als Melker finden, bis es im Juli mit Willoughbys Hütte losgeht.«
Meggie nahm ein weißes Tuch von dem riesigen Stapel beim Herd und breitete es sorgfältig über den Arbeitstisch. Dann hob sie den weinenden Hai aus der Wiege und legte ihn auf das Tuch. Spärlich schimmerte auf dem winzigen Schädel das rötliche Haar der Clearys. Meggie wechselte die Windeln - so rasch und so geschickt, wie ihre Mutter es getan haben würde.
»Kleine Mutter Meggie«, sagte Frank, um sie aufzuziehen. »Bin ich nicht!« erwiderte sie ungehalten. »Ich helfe bloß Mum.« »Weiß ich doch«, sagte er zärtlich. »Du bist ein gutes Mädchen.« Sacht zog er an der weißen Taftschleife auf ihrem Kopf. Sofort richtete sich der Blick aus den großen grauen Augen auf ihn, bewundernd, voller Vertrauen. Unwillkürlich gab es ihm einen Stich. Wenn sie einen so ansah, konnte man meinen, daß sie kein Kind mehr war, sondern ... ja, fast schon eine Erwachsene. Dabei hätte das einzige Baby, um das sie sich in ihrem Alter zu kümmern hatte, Agnes sein sollen, die jetzt vergessen in irgendeinem Winkel des Schlafzimmers lag. Ja, dachte er, wenn es nicht Meggies wegen wäre - Meggies und Mums wegen -, mich hätten schon längst keine zehn Pferde mehr hier gehalten. Mürrisch blickte er zu seinem Vater. Der war schuld daran, daß es im Haus dieses neue Leben gab, das soviel Unruhe mit sich brachte. Geschah ihm ganz recht, so kurzerhand um den Job in der Schurhütte gekommen zu sein.
Früher hatte es Frank kaum sehr viel ausgemacht, seine Mutter schwanger zu sehen. Diesmal, bei Hai, war das anders gewesen: Frank befand sich in einem Alter, wo er selbst Ehemann und Vater hätte sein können. Allerdings schienen, Meggie ausgenommen, bei dieser letzten Schwangerschaft alle so etwas wie Beklommenheit empfunden zu haben, Fee selbst am allermeisten. Spürte sie die verstohlenen Blicke der Jungen auf sich, so schrumpfte sie gleichsam zusammen, und angestrengt vermied sie es, Frank in die Augen zu sehen - sie schien eine tiefe Scham zu fühlen.
Nein, dachte Frank jetzt zum hundertsten oder tausendsten Mal, keine Frau sollte je so etwas durchmachen müssen: Nur zu deutlich erinnerte er sich an das furchtbare Stöhnen und die entsetzlichen Schreie, die in der Nacht der Entbindung aus dem Schlafzimmer seiner Mutter gedrungen waren - anders als seine Geschwister hatte man ihn, den nunmehr Großjährigen, nicht in »sichere Entfernung« verbannt.
Ja, geschah Daddy wirklich recht, daß er die Schurhütte los war, daß man sie ihm weggenommen hatte. Ein anständiger Mann hätte Mum ... hätte sie in Frieden gelassen.
Im Haus gab es inzwischen elektrisches Licht, und im Schein der Lampe sah das Haar seiner Mutter aus wie gesponnenes Gold. Schön war sie, wirklich schön, alles an ihr war schön. Wie ließ sich nur erklären, daß eine solche Frau, die außer ihrer Schönheit auch noch eine gute Erziehung mitbrachte, einen Schafscherer geheiratet hatte, der aus dem Sumpfgebiet von Galway stammte und sich jetzt hier von einem Job zum nächsten durchschlug? Verschwendet hatte sie sich an ihn, ja, so mußte man es wohl nennen: Sich selbst hatte sie verschwendet, und vergeudet schien auch das meiste, was sie sozusagen als Mitgift in die Ehe mitbrachte: das kostbare Spode-Porzellan, das Tischzeug aus Damast, die Perserteppiche im Wohnzimmer - all das, was praktisch nie ein Gast zu Gesicht bekam, denn die Frauen der Männer, mit denen Paddy Umgang hatte, die seine Kollegen und seine Kumpels waren, diese Frauen paßten ebensowenig zu Fee wie Fee zu ihnen. In Fees
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