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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Mann aus der Menge mit einem der Profis über die ganze Distanz ging, doch es kam vor. Zweifellos waren diese Gladiatoren nicht die besten Boxer der Welt, doch befanden sich unter ihnen immerhin einige, die zu den besten von Australien gehörten. Wegen seiner geringen Größe hatte man Frank zunächst mit einem Fliegengewichtler gepaart. Diesen knockte er mit dem dritten Schlag aus. Dann bat er darum, gegen einen anderen Mann gestellt zu werden. Als er seinen dritten Professional vor die Fäuste bekam, war das Zelt so zum Bersten gefüllt, daß kein weiterer Zuschauer mehr hineinpaßte. Die Neuigkeit hatte sich draußen wie ein Lauffeuer verbreitet. Bis jetzt war Frank nur von wenigen Schlägen getroffen worden, und jeder dieser Schläge hatte den stets in ihm schwelenden Zorn erst richtig entfacht. Mit wilden Augen stürzte er sich jeweils auf seinen Gegner, denn jeder von ihnen besaß für ihn Paddys Gesicht, und die Schreie und die Anfeuerungsrufe der Menge hallten in seinen Ohren wie eine einzige ungeheure dröhnende Stimme: Los! Los! Los! Oh, wie sehr hatte er sich doch gesehnt nach einem Kampf zwischen Mann und Mann, und wie sehr hatte er das entbehren müssen, seit er nach Drogheda gekommen war! Denn ein solcher Kampf bildete für ihn die einzige Möglichkeit, sich von Zorn und Schmerz zu befreien, und als er jetzt den entscheidenden Schlag landete, schien es ihm, daß die mächtige, dröhnende Stimme in seinen Ohren ihren hallenden Ruf plötzlich änderte zu: Töte! Töte! Töte! Danach stellte man ihn gegen einen wirklichen Champion, einen Leichtgewichtler, der die Anweisung hatte, Frank auf Distanz zu halten, um herauszufinden, ob er nicht nur über eine enorme Schlagkraft verfügte, sondern auch etwas vom Boxen verstand. Jimmy Sharmans Augen glänzten. Er hielt stets Ausschau nach Talenten, und bei diesen kleinen Country-Shows hatte er schon so manches entdeckt. Der Leichtgewichtler tat, was man ihm gesagt hatte. Trotz seiner überlegenen Reichweite fiel es ihm gar nicht leicht, sich Frank vom Leibe zu halten. Dieser stürmte wild auf ihn los, in seiner Kampfeswut immer stärker und immer mächtiger angestachelt durch den irrwischgleich vor ihm tanzenden Körper, der selbst seinen schnellsten und härtesten Schlägen auswich. Doch Frank lernte. Noch während des Kampfes gegen diesen ihm überlegenen Widersacher lernte er. Trotz seines wilden Ungestüms gehörte er zu jenem sehr selten zu findenden Kämpfertyp, der selbst im härtesten Kampfgetümmel noch denken kann. Jeder Schlag, den sein Gegner bei ihm landete, jeder Clinch, mit dem er Franks Angriffsversuche erstickte, war für diesen ganz buchstäblich Teil einer ersten Boxlektion. Und er stand die Distanz durch, stand sie durch trotz der präzisen Schläge, die er hatte hinnehmen müssen und unter denen sein Auge und seine Augenbraue angeschwollen und seine Lippe aufgeplatzt waren.
    Aber er hatte zwanzig Pfund gewonnen und die Achtung aller Männer hier um den Ring.
    Meggie, hinten an der Zeltwand, löste sich plötzlich von der Seite des Priesters. Bevor er recht wußte, was geschah, drängte sie sich zwischen den Zuschauern hindurch und verließ das Zelt. Pater Ralph folgte ihr sofort, kam jedoch langsamer voran. Als er dann draußen war, sah er, daß sie sich erbrochen hatte. Mit einem winzigen Taschentuch wischte sie Spritzer von ihren Schuhen. Er gab ihr sein Taschentuch, strich ihr wie tröstend über den Kopf. Auch ihm war die Luft im Zelt nicht bekommen, auch sein Magen drohte jetzt zu rebellieren. Aber natürlich war, wegen der Würde seines Amtes, nicht im Traum daran zu denken, daß er sich hier auf die gleiche Weise erleichterte wie Meggie.
    »Möchtest du auf Frank warten, oder wollen wir jetzt gleich gehen?« »Ich möchte auf Frank warten«, sagte sie leise und lehnte sich gegen ihn, für seine Ruhe und sein Mitgefühl zutiefst dankbar. »Ich wüßte doch zu gern, wie es kommt, daß ich dich so sehr in mein nichtexistentes Herz geschlossen habe«, sagte er grübelnd in halblautem Selbstgespräch. Wie so vielen Menschen, die allein lebten, war es ihm ein Bedürfnis, seine Gedanken hörbar zu äußern. In ihrem augenblicklichen Zustand, so glaubte er, würde Meggie auf seine Worte wohl kaum achten. »An meine Mutter erinnerst du mich nicht, und eine Schwester habe ich nie gehabt. Was ist das nur mit dir und auch mit deiner Familie ... Hast du, habt ihr ein schweres Leben gehabt, meine kleine Meggie?«
    Frank kam aus dem Zelt. Auf seiner

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