Die Dornenvögel
»Unsere Kinder verdanken wir der Gnade Gottes.« »Du bist nicht besser als ein dreckiger alter Köter, der hinter jeder Hündin herläuft, in die er sein Ding reinstecken kann!« »Und du bist nicht besser als der dreckige alte Köter, der dich gezeugt hat, wer immer er gewesen sein mag! Gott sei Dank, daß ich nichts damit zu schaffen hatte!« schrie Paddy und brach ab. »Oh, allmächtiger Himmel!« Sein Zorn entwich wie Luft aus einem aufgestochenen Schlauch. Er schien buchstäblich zu schrumpfen. Seine Hände tasteten nach seinem Mund, als wollten sie die Zunge herausfetzen, die Unsagbares gesagt hatte. »Ich habe es nicht so gemeint, ich habe es nicht so gemeint! Ich habe es nicht so gemeint! «
Kaum waren die Worte heraus, so ließ Pater Ralph Meggie los und packte Frank. Er drehte ihm den rechten Arm auf den Rücken, schlang seinen eigenen linken Arm dann um Franks Hals, im angesetzten Würgegriff. Und er war stark. Verzweifelt versuchte Frank, sich aus dem harten Griff zu befreien, doch sein Widerstand wurde immer schwächer, schließlich gab er es auf. Meggie war hingestürzt und kniete jetzt weinend auf dem Fußboden. Ihr Blick glitt zwischen Vater und Bruder hin und her. In ihren Augen war ein Flehen und der Ausdruck völliger Hilflosigkeit. Was eigentlich geschehen war, begriff sie nicht. Sie wußte nur instinktiv, daß sie beide nicht würde behalten können, nicht Vater und Bruder. »Du hast es so gemeint«, krächzte Frank. »Und ich habe es wohl schon immer gewußt! Ja, ich habe es wohl schon immer gewußt!« Er versuchte, seinen Kopf zu Pater Ralph herumzudrehen. »Lassen Sie mich los, Pater. Ich fasse ihn nicht an. So wahr mir Gott helfe, ich tu’s nicht.«
»So wahr dir Gott helfe? Gott verdamme euch, euch beide!« schrie, nein, brüllte der Priester. »Falls das Kind Schaden genommen hat, bringe ich euch um! Weil zu befürchten stand, daß ihr euch gegenseitig an die Gurgel springen würdet, konnte ich ja nicht einfach mit Meggie hinausgehen. Ich mußte ja hierbleiben, um bei euch dazwischenfahren zu können! Dabei wäre es wohl das beste gewesen, wenn ihr unglaublichen Kretins euch gegenseitig umgebracht hättet!« »Ist schon gut«, sagte Frank mit sonderbar fremder, leer klingender Stimme. »Ich gehe. Ich gehe zu Jimmy Sharmans Truppe und komme nicht mehr zurück.«
»Aber du mußt mit mir zurückkommen!« sagte Paddy leise, fast flüsternd. »Was soll ich deiner Mutter erzählen? Du bedeutest ihr mehr als wir anderen alle zusammen. Sie wird mir nie verzeihen.« »Erzähle ihr, daß ich zu Jimmy Sharman gegangen bin, weil ich wer sein will. Es ist die Wahrheit.«
»Was ich gesagt habe - das stimmt nicht. Nein, es ist überhaupt nicht wahr.«
In Franks so fremdartigen schwarzen Augen blitzte es nur verächtlich auf, in jenen schwarzen Augen, die seinerzeit den Priester sofort hatten stutzen lassen. Wie kamen die grauäugige Fee und der blauäugige Paddy zu einem schwarzäugigen Sohn? Frank nahm seinen Hut und seine Jacke. »O doch, es ist wahr!
Und ich muß es schon immer gewußt haben. Diese Erinnerungen an Mum, wie sie ihr Spinett spielt - in einem Raum, der dir nie gehört haben könnte! Das Gefühl, daß du nicht schon immer da gewesen warst, daß du nach mir gekommen bist. Daß sie zuerst mein war.« Er lachte lautlos. »Und wenn ich daran denke, daß ich all die Jahre dich dafür verantwortlich gemacht habe, daß sie so hinuntergezogen worden ist, wo es in Wirklichkeit doch meine Schuld ist, meine!« »Hören Sie auf damit, Frank!« rief der Priester. »Was soll das, was soll’s? Keiner ist dafür verantwortlich! Es war Gottes unerforschlicher Ratschluß - so müssen Sie das sehen!«
Frank schüttelte die Hand ab, die ihn zurückhalten wollte. Er ging zur Tür, in jener leichtfüßigen, wie schwerelosen Art, die so charakteristisch für ihn war. Der Gang eines Boxers, dachte Pater Ralph in irgendeinem Winkel seines Gehirns. Ja, er ist der geborene Boxer. »Gottes unerforschlicher Ratschluß!« höhnte der junge Mann jetzt von der Tür her. »Wenn Sie den Priester machen, Pater de Bricassart, sind Sie nicht besser als ein Papagei! Mag Gott Ihnen helfen, denn Sie sind hier der einzige von uns, der keine Ahnung hat, wer er wirklich ist!«
Paddy saß jetzt mit aschfahlem Gesicht auf einem Stuhl. Sein wie betäubter Blick war auf Meggie gerichtet, die weinend vor dem Kamin kniete, mit eigentümlich vor und zurück wippendem Oberkörper. Paddy wollte sich hochraffen, wollte zu ihr, um
Weitere Kostenlose Bücher