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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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die »Squattokratie« nannte. Nur zu gern wollten diese Menschen vergessen, wie ihre Familien eigentlich in den Besitz so ungeheuer großer Ländereien gekommen waren. Squatter, so hatte man ursprünglich jene freien Siedler genannt, die ihnen geeignet erscheinendes, noch nicht in Privatbesitz befindliches Land ganz einfach besetzten, um dort dann Schaf- und Rinderherden zu unterhalten. Im Laufe der Zeit war es dann, als die Home rule, die Selbstverwaltung, kam, gleichsam stillschweigend in ihren vom Bund offiziell anerkannten Besitz übergegangen. Und niemand auf dem ganzen Kontinent wurde glühender beneidet als sie. Sie hatten ihre eigene politische Partei, sie schickten ihre Kinder auf die exklusivsten Schulen in Sydney, und wenn der britische Kronprinz zu Besuch kam, so tauschten sie mit ihm Trinksprüche aus. Nein, ein schlichter Paddy Cleary hatte mit dieser kolonialen Aristokratie, die ihn unbehaglich an die Familie seiner Frau erinnerte, nichts weiter gemein. Er war ein einfacher Arbeiter. So konnte es kaum verwundern, daß er sich irritiert fühlte, als er später ins Pfarrhaus kam und dort Frank, Meggie und Pater Ralph in entspannter Runde beim Feuer beisammensitzen sah. Allem Anschein nach hatten die drei einen herrlich sorgenfreien Tag verlebt. Er hingegen war gezwungen gewesen, sich Stunde um Stunde mit seiner Schwester abzumühen, die er schon in Irland, als Kind, nicht hatte leiden können.
    Und plötzlich bemerkte er das Pflaster auf Franks Augenbraue, sah sein verschwollenes Gesicht. Hier hatte ihm der Himmel einen höchst willkommenen Blitzableiter geschickt.
    »Ja, willst du deiner Mutter etwa so vor die Augen treten?« schrie er. »Kaum bin ich mal ein paar Stunden nicht da, schon prügelst du dich mit jedem, der dich auch nur ein bißchen schief ansieht!« Pater Ralph war sofort aufgesprungen, verdutzt, ein paar beschwichtigende Worte drängten sich als halbes Gemurmel über seine Lippen. Doch Frank war schneller als er.
    »Damit habe ich mir ein Stück Geld verdient!« sagte er sehr ruhig und deutete auf das Pflaster. »Zwanzig Pfund für ein paar Minuten Arbeit, mehr als Tante Mary dir und mir zusammen in einem ganzen Monat zahlt! Ich habe drei gute Boxer k. o. geschlagen und bin mit einem Leichtgewicht-Champion über die ganze Distanz gegangen, heute nachmittag in Jimmy Sharmans Zelt. Und ich habe zwanzig Pfund verdient. Kann schon sein, daß du meinst, ich sollte mir mein Geld auf andere Weise verdienen, aber alle Männer, die mich kämpfen sahen, waren voll Anerkennung!«
    »So ein paar Wracks mit weichgeklopfter Birne, und du bildest dir ein, ein großer Boxheld zu sein? Frank, werde erwachsen! Ich weiß zwar, daß du körperlich nicht mehr wachsen kannst, aber gib dir, deiner Mutter zuliebe, doch wenigstens Mühe, deinen Grips noch ein bißchen zu entwickeln!«
    Frank war kalkweiß. Keine Beleidigung hätte ihn tiefer treffen können, und der Mann, der sie ihm ins Gesicht schleuderte, war sein eigener Vater. Ihm konnte er es nicht heimzahlen, wie er es anderen heimgezahlt hätte. Er atmete beengt. Mit Anstrengung brachte er es fertig, seine Hände unter Kontrolle zu behalten. »Keine Wracks, Daddy. Wer Jimmy Sharman ist, weißt du genausogut wie ich. Und Jimmy Sharman hat mir gesagt, daß ich als Boxer eine ganz große Zukunft hätte. Er will mich in seine Truppe aufnehmen und trainieren. Und er will mich bezahlen. Kann schon sein, daß ich nicht mehr wachse. Aber ich bin groß genug, um jeden schlagen zu können - auch dich, du stinkender alter Ziegenbock!«
    Paddy zuckte zusammen, begriff die Anspielung. Sein
    Gesicht war genauso weiß wie das seines Sohnes. »Wage nicht, mich so zu nennen!«
    »Was bist du denn sonst? Du bist widerlich, schlimmer als ein Rammler! Konntest du sie nicht in Ruhe lassen, konntest du deine Hände nicht von ihr weghalten?«
    »Nein, nein, nein!« schrie Meggie. Pater Ralph packte sie fest bei den Schultern, hielt sie mit Gewalt zurück. Verzweifelt versuchte sie, sich von seinem Griff freizumachen. Tränen strömten über ihr Gesicht. »Nein, Daddy, nein! Oh, Frank, bitte! Bitte!« schrie sie. Doch nur Pater Ralph hörte ihre Stimme. Frank und Paddy starrten einander an, Haß und Furcht in den Augen. Jetzt gab es keine Beschönigung mehr, keine Tarnung, keine Täuschung. An die Stelle einer scheinbar vereinigenden Liebe für Fee war jetzt offen die Rivalität um Fee getreten.
    »Ich bin ihr Mann«, sagte Paddy, sich mit aller Anstrengung zur Ruhe zwingend.

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