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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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die sie für Frank hatte, endlich Paddy zu geben und dem armen kleinen Ding oben im Schlafzimmer.
    »Meinen Sie das im Ernst, Pater?«
    »Ja, das meine ich im Ernst. Was heute abend passiert ist, sollte niemand weiter erfahren.«
    »Aber was ist mit Meggie? Sie hat doch alles mit angehört.«
    »Machen Sie sich Meggies wegen keine Sorgen, darum kümmere ich mich schon. Ich glaube nicht, daß sie von der ganzen Sache mehr begriffen hat, als daß Sie und Frank Streit miteinander hatten. Ich werde ihr klarmachen, daß sie jetzt, wo Frank fort ist, ihrer Mutter nur unnötig das Herz schwermachen würde, wenn sie ihr von dem Streit erzählte. Außerdem habe ich so das Gefühl, daß Meggie bei ihrer Mutter ohnehin nicht viel plaudert.« Er erhob sich. »Gehen Sie schlafen, Paddy. Vergessen Sie nicht, daß Sie morgen völlig normal wirken und Mary dauernd zu Diensten sein müssen.«
    Meggie schlief noch nicht. Mit weit geöffneten Augen lag sie im trüben Schein der kleinen Lampe neben ihrem Bett. Der Priester setzte sich zu ihr. Er sah, daß ihr Haar noch zu Zöpfen geflochten war. Sorgfältig löste er die marineblauen Schleifen und zog und strich dann sacht, bis das Haar, breit und wellig, wie geschmolzenes Metall zu beiden Seiten ihres Kopfes auf
    dem Kissen lag.
    »Frank ist fort, Meggie«, sagte er.
    »Ich weiß, Pater.«
    »Weißt du auch, weshalb, Liebling?«
    »Er hatte Streit mit Daddy.«
    »Was wirst du tun?«
    »Ich will zu Frank. Er braucht mich.«
    »Das kannst du nicht, Meggie.«
    »Doch, ich kann. Ich wollte ihn schon heute abend suchen, aber die Beine waren mir so schwach, und wenn’s draußen dunkel ist, das mag ich nicht. Aber gleich morgen früh suche ich nach ihm.«
    »Nein, Meggie, das darfst du nicht. Sieh mal, Frank muß sein eigenes Leben leben, und es ist Zeit, daß er fortgeht. Ich weiß, daß du ihn nicht fortlassen möchtest, aber er hat das schon lange gewollt. Du darfst nicht selbstsüchtig sein. Du mußt ihn sein eigenes Leben leben lassen.« Das dauernde Wiederholen, dachte er, das wirkt. Bleib also dabei, hämmere es ihr ein. »Wenn wir erwachsen werden, ist es nur richtig und natürlich, wenn wir uns ein Leben außerhalb des Elternhauses wünschen, wenn wir unser eigenes Leben wollen. Und Frank ist jetzt erwachsen. Er muß sein eigenes Heim und eine Frau und eine Familie haben. Verstehst du das, Meggie? Der Streit zwischen deinem Daddy und Frank war nur ein Zeichen dafür, daß Frank fort wollte. Zu dem Streit ist es nicht gekommen, weil sie einander nicht mögen. Es ist dazu gekommen, weil sich das so ergibt, wenn junge Männer von zu Hause fortwollen. Es ist so eine Art Ausrede. Auch für Frank war der Streit nur eine Ausrede, um das zu tun, was er schon so lange hatte tun wollen. Das war für ihn nur ein Vorwand, um fortzugehen. Verstehst du das, meine Meggie?«
    Ihr Blick glitt zu seinem Gesicht und schien dort festzuhaften. Ihre Augen wirkten erschöpft, so voller Schmerz, so alt. »Ich weiß«, sagte sie, »ich weiß. Als ich noch ein kleines Mädchen war, wollte Frank schon fort, und er ging auch. Aber Daddy ließ ihn zurückbringen, und dann hat er ihn gezwungen, bei uns zu bleiben.«
    »Aber diesmal wird Daddy ihn nicht zurückbringen, weil er ihn nicht mehr zum Bleiben zwingen kann. Frank ist endgültig fort. Er kommt nicht zurück.«
    »Werde ich ihn nie wiedersehen?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte er aufrichtig. »Natürlich würde ich gern sagen, daß du ihn wiedersehen wirst, aber in die Zukunft kann ich nicht blicken, das können auch Priester nicht.« Er holte tief Luft.
    »Du darfst Mum nicht erzählen, daß es einen Streit gegeben hat, Meggie, hörst du? Es würde sie sehr aufregen, und sie - sie ist nicht ganz auf dem Posten.«
    »Weil sie wieder ein Baby bekommt?«
    »Was weißt du denn davon?«
    »Mum läßt gern Babys in sich wachsen, hat sie ja schon oft getan. Und sie läßt so hübsche Babys wachsen, Pater, auch wenn sie nicht ganz richtig auf dem Posten ist. Ich werde mir selbst auch eins wachsen lassen, so eins wie Hai, dann vermisse ich Frank nicht so sehr, nicht?«
    »Viel Glück, Meggie. Aber wenn’s dir nun nicht gelingt, eins in dir wachsen zu lassen?«
    »Dann habe ich ja immer noch Hai«, erwiderte sie schläfrig und kuschelte sich tiefer ins Bett. »Pater, wirst du auch weggehen? Gehst du fort?«
    »Eines Tages schon, Meggie. Aber noch nicht bald, glaube ich, mach dir also keine Sorgen. Ich habe das Gefühl, daß ich noch lange, sehr lange in

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