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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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Gilly festsitzen werde«, sagte der Priester, einen Ausdruck der Verbitterung in den Augen.

6
     
     
     
    Es ging nicht anders, Meggie mußte wieder nach Hause kommen, Fee brauchte ihre Hilfe. Als Stu dann allein im Kloster zurückblieb, trat er in den Hungerstreik. Also holte man auch ihn wieder nach Drogheda.
    Es war August und bitter kalt. Seit einem Jahr befanden sie sich nun in Australien, und ihr zweiter Winter hier war doch viel kälter, als es der erste gewesen war. Regen fiel nicht, und die Luft hatte etwas so Rauhes, daß einem beim Atmen die Lunge weh tat. Auf den Gipfeln des Great Divide, rund 500 Kilometer weiter östlich, lag der Schnee dicker als in vielen Jahren zuvor, doch westlich von Burren Junction war seit den Monsungüssen im vergangenen Sommer kein Regen gefallen. In Gilly sprachen die Leute davon, daß eine Dürre längst schon überfällig sei. Vielleicht war dies der Anfang einer solchen Periode.
    Als Meggie ihre Mutter sah, überkam sie ein eigentümliches, ein bestürzendes Gefühl, als wäre da eine furchtbare Last, von der sie, das Mädchen, niedergedrückt werde. Vielleicht war dies eine Art Abschied von ihrer Kindheit, zumindest eine Ahnung dessen, was es bedeutete, eine Frau zu sein.
    Von ihrem jetzt mächtigen Leib abgesehen, wirkte Fee äußerlich zwar unverändert, doch in ihr schien eine tiefgreifende Veränderung vor sich gegangen zu sein. Sie glich einem alten Uhrwerk, das, früher einmal recht präzise arbeitend, mehr und mehr ausgeleiert war, bis es nur mit allerletzter Mühe überhaupt noch in Gang blieb. Jene behende Art, sich zu bewegen, die Meggie an ihrer Mutter als so selbstverständlich empfunden hatte, schien endgültig vergangenen Zeiten anzugehören. Mühsam hob Fee beim Gehen die Füße, und man hätte meinen können, daß die Bewegungen sie nicht nur anstrengten, sondern daß sie sich ihren Ablauf jedes Mal von neuem erst wieder bewußt machen
    müsse. Nichts war ihr anzumerken von Vorfreude auf das Baby. Sie wirkte gleichgültig, manchmal fast apathisch.
    Mühsam durchmaß sie den ewig gleichen Kreis zwischen Herd, Arbeitstisch und Spülstein. Was sie noch an Kraft besaß, wurde hiervon so vollständig aufgesogen, daß nichts davon übrigblieb, um sich eingehender um den kleinen Hai zu kümmern. Nicht nur, daß sie nichts für seine Erziehung tat, sie ließ ihn praktisch völlig unbeaufsichtigt. Und so stolperte das rothaarige Kerlchen im ganzen Haus umher, und es fiel automatisch Meggie zu, bei ihm die Mutter zu vertreten. Ein Opfer war das für sie allerdings ganz und gar nicht. Sie liebte ihn sehr, und es zeigte sich, daß er, hilfloses Geschöpf, nur zu bereit war, all jene Liebe entgegenzunehmen, die zu geben es sie jetzt drängte.
    Und so war es dann Meggie, nach der er immer rief. Ihren Namen nannte er vor allen anderen, zu ihr streckte er die Arme empor, um von ihr hochgehoben zu werden. Und sie war glücklich, von tiefer Freude erfüllt. Trotz aller Plackerei - Nähen und Stricken und Stopfen, Wäschewaschen und Bügeln, Hühner füttern und noch ein Dutzend Dinge mehr - empfand Meggie ihr Leben als sehr angenehm.
    Nie sprach jemand von Frank. Doch alle sechs Wochen, wenn die Post ausgerufen wurde, hob Fee den Kopf und wirkte eine Weile wie neubelebt. Etwas später erschien dann Mrs. Smith mit dem, was für die Clearys dabeigewesen war, und wenn sich wieder kein Brief von Frank darunter befand, erlosch Fees Interesse, ihre schmerzlich gespannte Erwartung.
    Als sie entbunden wurde, zeigte sich, daß es diesmal gleich zwei Babys waren, Zwillingsbrüder. Sie erhielten die Namen James und Patrick und schienen ganz ihrem Vater nachschlagen zu wollen, nicht nur im Aussehen, sondern auch im Wesen. Es gab zwei Rotschöpfe mehr im Haus, und alle schlossen sie sogleich ins Herz. Nur ihre Mutter zeigte für sie kaum Interesse. Sie nährte sie zwar, gab ihre Milch, aber das war auch alles. Sehr bald gebrauchte man nur noch die Kurzformen der Namen: Jims und Patsy. Zu ganz besonderen Lieblingen wurden die Zwillinge für die Frauen im Herrenhaus, für die beiden ledigen Dienstmädchen und die verwitwete, kinderlose Haushälterin; sie waren ausgehungert nach jenem Zierlich-Kostbaren, das sich in Babys verkörperte, und Fee wurde es auf diese eigentümliche Weise leicht gemacht, das Zwillingspärchen fast zu vergessen - es hatte ja drei eifrige Mütter. Als die Jungen ein wenig älter waren, ergab es sich daher gleichsam von selbst, daß sie tagsüber hauptsächlich im

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