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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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auf sich selbst, und dann würde er warten, bis er selbst an der Reihe war.
    Seine Ausschweifungen mochte Benito Sgreccia auf Heller und Pfennig bezahlt haben, doch das Pfarrhaus hatte er nicht gekauft. Das gehörte Mutter Kirche, und die hattees in die Obhut Lidia Marcantonis gegeben. Auch wenn das Pfarrhaus seit langem verlassen war und nicht direkt auf geweihtem Grund stand, hatte Lidia feste Vorstellungen, was sich für einen solchen Ort schickte. Eine Ausstattung mit wandhohen Spiegeln, roten Ledersofas und Wasserbetten gehörte keinesfalls dazu, und so hatte Lidia von den Sgreccias die umgehende Entfernung dieser Objekte und überhaupt die Wiederherstellung des alten Zustands verlangt. Weil die Sgreccias nicht wußten, wohin mit dem ganzen Zeug, hatten sie auf Zeit gespielt, doch gegen den heiligen Furor einer Lidia Marcantoni half das nicht lange. Sie wiegelte das halbe Dorf auf, bis Angelo Sgreccia eine Umzugsfirma anrücken ließ, um die Lotterhöhle, die erst vierzehn Tage zuvor eingerichtet worden war, wieder zurückzubauen und bis auf weiteres irgendwo im Tal zwischenzulagern.
    Lidia ließ es sich nicht nehmen, die Arbeiten höchstpersönlich zu überwachen, und so war sie es, die den Umschlag fand. Es war ein einfacher, nicht beschrifteter weißer Briefumschlag, der in den Spalt zwischen Wasserbett und Wand gerutscht sein mußte. Lidia zögerte. Eigentlich ging sie der Inhalt nichts an. Da aber die zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinliche Möglichkeit bestand, daß Benito Sgreccia ihr auf diesem Weg die versprochene Spende für die Kirchenbänke hatte zukommen lassen wollen, war es ja beinahe ihre Pflicht, den Brief zu öffnen. Außerdem wäre sie vor Neugier fast geplatzt. Sie riß den Umschlag auf, entfaltete das Papier darin und las:
    Testament
    Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte vermache ich, Benito Sgreccia, mein gesamtes in bar, auf Sparkonten, in Aktien, Schatzbriefen oder sonstigen Anlageformen vorhandenes Vermögen Herrn Ivan Garzone, wohnhaft in Montesecco. Meinen Haus-und Grundbesitz soll mein Sohn Angelo Sgreccia, ebenfalls wohnhaft in Montesecco, erben.
    Vor Benitos krakeliger Unterschrift stand das Datum. Lidia rechnete zurück. Benito hatte das Testament am Tag vor seinem Tod abgefaßt. In der unteren Hälfte bezeugten weitere Unterschriften die Richtigkeit des letzten Willens. Drei unbekannte Frauennamen. Lidia schwante Ungeheuerliches. Zur fraglichen Zeit hatten schließlich drei sogenannte Hostessen Benito Gesellschaft geleistet!
    Lidia wurde ganz schummerig. Sie setzte sich auf das Wasserbett. Das Haus Sgreccias war vielleicht vierzigtausend Euro wert, die paar verpachteten Äcker deutlich weniger. Das hinterlassene Geldvermögen belief sich dagegen auf fünfeinhalb Millionen Euro, war also ungefähr hundertmal mehr wert. Benito hatte seinen Sohn praktisch enterbt! Seit der Papst in den siebziger Jahren durch Pergola gereist war, hatte sich nichts so Aufregendes mehr ereignet. Das mußte sofort das ganze Dorf erfahren.
    Angelo Sgreccia hielt das Ganze für einen schlechten Witz, bis er das Papier in die Hand bekam. Er las es ein paarmal durch, sagte kein einziges Wort und schloß sich mit Elena ein.
    »Daß Benito von seinem Sohn nichts hielt, wundert mich nicht«, sagte Marisa Curzio.
    »Aber die Nutten als Zeugen zu nehmen war schon frech«, sagte Milena Angiolini.
    »Wieso eigentlich alle drei?« fragte Sonia Lucarelli. »Genügen bei so etwas nicht zwei?«
    »Er konnte sich halt nicht entscheiden«, sagte Franco Marcantoni, »was ich persönlich durchaus verstehe …«
    »Für Ivan Garzone hat er sich sehr wohl entschieden«, sagte Matteo Vannoni.
    »Obwohl sie ja so eng nicht miteinander waren«, sagte Catia Vannoni.
    »Los, hinauf zur Bar!« sagte Lidia Marcantoni und stapfte voran.
    Ivan Garzone verschlug es die Sprache, als er von der Erbschaft vernahm, aber er wäre nicht Ivan gewesen, wenner sich nicht binnen kurzem gefangen hätte. Als Franco Marcantoni eine Runde auf Kosten des Hauses forderte, nickte Ivan kurz, trug Marta auf, den besten Wein zu holen, stellte sich in Positur und begann zu sprechen:
    »Wenn ich in späteren Jahren an diesen Moment zurückdenke, will ich mich an die zwei Gefühle erinnern, die mich jetzt erfüllen: Ernst und Stolz. Ernst, weil es für mich eine Verpflichtung ist, diese fünfeinhalb Millionen Euro zum Wohle ganz Monteseccos anzulegen. Stolz, weil Benito Sgreccia mich für würdig befunden hat, diese Aufgabe anzugehen. Warum gerade

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