Die Drachen von Montesecco
Fahrer das Gespräch.
»Und, haben Sie die Adresse?« fragte Curzio.
»Schon«, sagte der Fahrer, »ich wüßte allerdings auch ein paar Mädchen draußen im EUR, bei denen Sie bedeutend günstiger …«
»Was?« fragte Curzio. Er sah Benito an. Der winkte ab. Er hatte genug von irdischen Genüssen.
»Ich meine ja nur«, sagte der Fahrer, schloß die Hände fester ums Lenkrad und fuhr Richtung Innenstadt. Wilma hatte eine Adresse nahe des Tor di Quinto angegeben, wo sich – wie der Fahrer wußte – in der guten alten Zeit, als die Nutten noch gestandene Römerinnen und keine magersüchtigen Osteuropäerinnen waren, der Straßenstrich befunden hatte. Noch vor dem Tiber bogen sie ab und folgten der Uferstraße bis zur Milvischen Brücke. Dort erweiterte sich die alte Via Flaminia zu dem gegen Norden ansteigenden Piazzale Milvio, an dessen Ende eine Kirche stand. Obwohl die Marktstände an der Uferstraße längst geschlossen waren, herrschte reger Betrieb. Der Fahrer fuhr langsam bis zur Kirche hoch und auf der anderen Seite wieder zurück, ohne einen Parkplatz zu finden. Vor einer Eisdiele hielt er in zweiter Reihe, schaltete die Warnblinkanlage ein und stieg aus, um Curzio die Tür zu öffnen. Benito vergaß er allerdings, so daß dieser auf Curzios Seite aus dem Mercedes schlüpfen mußte.
»Sie sollen bei der obersten Klingel läuten!« Der Fahrer wies auf einen gelb gestrichenen Palazzo vor ihnen. Curzio legte den Kopf in den Nacken. Eines der großen Fenster im sechsten Stock stand offen. Von dort mußte man einen wunderbaren Blick über den Tiberbogen und denBrückenturm bis hin zu den Gärten der Villa Borghese haben. Curzio sagte dem Fahrer, daß er ihn anrufen werde, sobald er hier fertig sei. Er ging zum Portal des Palazzo. Neben der obersten Klingel stand kein Name. Obwohl Curzio erst für den späten Abend bestellt war, läutete er, doch die Gegensprechanlage blieb stumm.
Curzio fragte Benito, ob sie etwas spazierengehen sollten, und der hatte nichts dagegen. Mit Mühe kamen sie lebend über die Uferstraße, auf der nur Verrückte unterwegs zu sein schienen. Am Straßenbrunnen vor dem Brückenturm wuschen sie sich die Hände und flanierten dann über die für den Autoverkehr gesperrte Milvische Brücke. Wenn man die braune Brühe so bezeichnen wollte, führte der Tiber reichlich Wasser. Die untersten Sträucher an den Uferböschungen waren einen guten Meter überschwemmt. In den Bergen mußte der Levante reichlich Regen gebracht haben. Hier lag der Himmel smoggrau über der Stadt. Nur im Westen, flußabwärts, zeigte ein schwach oranger Schein, daß es Abend wurde. Wenn sie dem Ufer folgten, kämen sie irgendwann zur Engelsburg. Die hatte Curzio auch erst einmal gesehen, und das war mindestens dreißig Jahre her. Außer ihnen befand sich niemand auf der Brücke, doch auf beiden Seiten des Tibers rollte mehrspurig der Verkehr. Hupen tönten, Mopeds knatterten, die Bässe in als Autos verkleideten Discos wummerten, Polizeisirenen heulten in der Ferne, und ab und zu brüllte irgendeiner irgend etwas, das wie eine Morddrohung klang, aus dem schnell herabgekurbelten Wagenfenster.
»Zum Castel Sant’Angelo? Was hältst du davon, Benito?« fragte Curzio. Benito hatte die Ellenbogen auf der Steinbrüstung aufgestützt und spuckte ins Tiberwasser. Er sah schwach aus. Fast durchsichtig.
»Na gut«, sagte Curzio. Er blickte auf die Uhr. Sie mußten noch drei Stunden totschlagen. »Wir nehmen jetzt einen Aperitif und gehen dann irgendwo eine Kleinigkeit essen.«
Nachdem sie begriffen hatten, daß die Zebrastreifen nur dazu dienten, alte Leute wie sie vor die Stoßstangen der Autos zu locken, klappte die Überquerung der Uferstraße diesmal schon besser. Trotzdem waren sie froh, als sie in die Bar am Eck des Piazzale Milvio traten. An der Theke drängten sich die Leute, und so setzten Curzio und Benito sich an einen der beiden kleinen Tische an der Glasscheibe. Von dort sah man den Palazzo gegenüber ausgezeichnet. Das Fenster im obersten Stock war jetzt geschlossen. Dafür brannte Licht. Honiggelbes Licht. Curzio hätte schummriges Rot erwartet.
Er bestellte zweimal Prosecco mit Aperol, verbesserte sich, als er den erstaunten Blick des Barmanns bemerkte, aber dahingehend, daß er den zweiten erst später wolle. Benito und er konnten ebensogut aus einem Glas trinken. Sie knabberten die Erdnüsse, Kartoffelchips und grünen Oliven, die mit dem Aperitif kamen, und unterhielten sich. Auch wenn Benito wie
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