Die Drachen von Montesecco
des größten japanischen Unterhaltungselektronikherstellers fragte. Die Augen des Brokers leuchteten auf. Er schlug auf den Tisch, daß der Wein in den Gläsern schwappte, und sagte, er habe ja schon immer gewußt, daß man von diesem Kinderkram die Finger lassen müsse. Jetzt sei die Zeit für Handfestes gereift, Gold, Bodenschätze, Grundnahrungsmittel. Was sei denn zum Beispiel mit Reis, fragte er und schob den Rest der viererleiTrüffelvariationen beiseite. Die halbe Welt ernähre sich von Reis, und zwar der Teil der Welt, der sich noch vermehre, was doch wohl, langfristig gesehen, ein absolut sicheres und einträgliches Geschäft garantieren würde. Oder?
Curzio nickte. Als Gegenleistung ließ er sich aus einer spontanen Eingebung heraus Forattinis Limousine samt Fahrer für einige Tage zur Verfügung stellen. Nach Montesecco konnte und wollte er nicht zurück. Vielleicht war es an der Zeit, eine Abschiedsreise durch sein Heimatland zu machen. Er würde all das einmal besichtigen, wozu er zeit seines Lebens keine Gelegenheit gehabt hatte. Die mondänen Jahrhundertwendehotels am Lido, den Schiefen Turm von Pisa, die Etruskergräber in Tarquinia, den Vesuv und Pompeji, die Höhlenstadt Matera und die Catacombe dei Cappuccini in Palermo, wo angeblich jahrhundertealte, bestens konservierte Mumien herumstanden.
Als ihn der Fahrer am Morgen vom Hotel abholte, hatte sich Curzios Unternehmungslust deutlich verringert. Er hatte die halbe Nacht wach gelegen, glaubte, bei geschlossenem Fenster keine Luft zu bekommen, und konnte bei offenem wegen des Verkehrslärms nicht schlafen. Nur um keinen Rückzieher zu machen, setzte er sich in den Mercedes, vermochte sich aber nicht zu entscheiden, ob es nach Pisa oder Venedig oder vielleicht doch zurück nach Montesecco gehen sollte. Und plötzlich war Benito da, hustete hohl und sagte: »Nach Rom!«
Rom? Curzio überlegte. Die Ewige Stadt. Dort waren zwei alte Knaben, von denen der eine tot und der andere nach kurzem Grabaufenthalt wieder auferstanden war, sicher am besten aufgehoben. Oder hatte Benito etwa irgendwelche Hintergedanken?
»Du hast noch ein paar Dinge aufzuklären, Gianmaria!« sagte er.
Curzio hatte so etwas befürchtet. Eigentlich wollte er von alldem nichts mehr wissen. Ihm genügte, daß er am Leben war.
»Du schon, nur ich bin tot«, sagte Benito und kratzte sich am linken Ohr. Man konnte sich in die Hand zwicken, die Augen zukneifen oder sonst etwas anstellen, Benito saß im Fond des Mercedes und verschwand einfach nicht. Er war schon immer ein eigensinniger Kerl gewesen. Curzio gab sich geschlagen. Was hätte er denn tun sollen? So steckten sie nun im Stau kurz vor Rom, und Curzio blickte aus dem Seitenfenster. Hinter dem Autobahnzaun erstreckte sich ein gigantischer Parkplatz. Über dem Möbelhaus, zu dem er gehörte, wehten so viele Fahnen im Wind, als würden dort alle Regierungschefs der EU erwartet. Langsam setzte sich die Autoschlange wieder in Bewegung.
»Wohin genau soll es denn gehen?« fragte der Fahrer nach hinten. Curzio sah Benito an. Der zuckte die Achseln.
»Du mußt die Adresse doch wissen«, zischte Curzio.
»Ich?« fragte der Fahrer.
Curzio schüttelte den Kopf. Er selbst hatte nur eine Telefonnummer, doch er wollte vermeiden, dort anzurufen. Das hätte den Überraschungseffekt, den er auszunutzen hoffte, zerstört. Andererseits konnte man schlecht an der Via dei Fori Imperiali oder am Petersplatz halten und einen Passanten fragen, ob er zufällig wisse, wo drei Edelnutten namens Wilma, Laura und Piroschka ihrem Gewerbe nachgingen. Also mußte der Fahrer ran. Er schien ungewöhnliche Aufträge gewohnt zu sein. Jedenfalls nahm er es gelassen hin, als Curzio ihn instruierte, sich als Freier auszugeben und für möglichst bald einen Termin auszumachen.
Der Fahrer erledigte seine Sache anfangs ausgezeichnet. Er berief sich auf die Empfehlung eines Freundes aus der höheren Finanzverwaltung, der lieber ungenannt bleiben wollte, übertrieb aber dann etwas, als er um den Preis zu feilschen begann, der ihm am Telefon genannt worden war. Es ging ein wenig hin und her, bis Curzio ihm bedeutete,es gut sein zu lassen. Der Fahrer hielt die Hand vors Telefon und flüsterte nach hinten, finanziell sei wenig auszurichten, aber er sei sicher, einiges an Sonderleistungen herausholen zu können, wenn ihn Curzio nur machen ließe. Curzio flüsterte zurück, daß er das an Ort und Stelle selbst verhandeln wolle. Sichtlich enttäuscht beendete der
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