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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Ergebnis zu kommen, daß sich diese Lesart der Ereignisse durchaus anbot, an langen Winterabenden in Montesecco erzählt zu werden. Er neigte den Kopf und sagte: »Stimmt, sie war persönlich schwer getroffen. Doch was sollte ich machen? Einer von uns beiden mußte den Tatsachen ins Auge sehen. Leidenschaft allein genügt nun mal nicht. Gut, sie wäre mir sicher nach Montesecco gefolgt, aber hätte ich das wirklich von ihr verlangen sollen? Daß sie auf ihre Karriere verzichtet, auf Rom, auf die Welt, die sie sich aufgebaut hat?«
    »Das wäre äußerst egoistisch von dir gewesen«, sagte Curzio.
    »Wenn sich dir eine solche Frau bedingungslos ausliefert, mußt du auch mal zurückstecken können.« Franco war sichtlich gerührt von der Großherzigkeit, die er soeben an sich entdeckt hatte.
    »Zum Wohle aller«, sagte Curzio.
    »Auch wenn es schwerfällt.« Franco winkte den Kellner heran. Er bestellte zwei Espressi und zwei Grappe. Noch bevor der Schnaps da war, begann Franco vom Beginn seiner wunderbaren Liebesgeschichte zu erzählen. Es hatte ihm einen Stich ins Herz versetzt, als die anderen Wilma so schnöde aus Montesecco verjagten. Er konnte nicht mehr richtig schlafen, und selbst als die Auseinandersetzung um Benitos Erbe und das Verschwinden Minhs alle in Aufregung versetzten, war ihm Wilma einfach nicht aus dem Kopf gegangen. So hatte er all seinen Mut zusammengenommen und sie angerufen. Wie ein erstmals verliebter Teenager hatte er befürchtet, ausgelacht und abgewiesen zu werden, aber Wilma hatte überaus freundlich reagiert. Sie war an allem interessiert gewesen, was er ihr von den Geschehnissen in Montesecco erzählte, vor allem am Streit um Benitos Testament. Das war Franco ganz natürlich vorgekommen, schließlich hatte Wilma ja als Zeugin unterzeichnet.
    Jedes der folgenden Telefongespräche bewies Franco aufs neue, daß Wilma und er ein Herz und eine Seele waren. Als er darauf drängte, sie in Rom besuchen zu dürfen, schien sie durchaus nicht abgeneigt. Es gab nur die kleine Schwierigkeit, daß sie sich als Geschäftsfrau eherne Prinzipien gesetzt hatte, von denen sie nicht einmal ihm zuliebe eine Ausnahme machen durfte, wollte sie sich nicht selbst untreu werden. Franco verstand das natürlich. Andererseits hatte er kein Geld. Schon gar nicht die stolzen Summen, die Wilma ihren Kunden berechnete. Das war nun zweifelsohne sein Problem. Daß Wilma es zu ihrem machte, bewies ihm, wie sehr sie ihn begehrte. Wilma gab ihm den Rat, sich wegen eines Darlehens an Marta Garzone zu wenden.
    »An Marta?« wunderte sich Curzio. »Die Garzones sind doch bis über beide Ohren verschuldet!«
    »Ganz so schlimm kann es nicht sein.« Franco winkte nach einem weiteren Grappa. »Jedenfalls hat Marta irgendwo einen Kredit bekommen.«
    »Wieviel?«
    Franco druckste ein wenig herum, bevor er mit der Summe herausrückte. »Fünfzehntausend Euro.«
    »Gegen welche Sicherheiten?«
    Franco wurde lauter. »Was weiß denn ich, Gianmaria! Vielleicht die Bar, vielleicht eine Lebensversicherung?«
    »Marta Garzone hat ihre Lebensversicherung verpfändet, um dir ein paar Nuttenbesuche in Rom zu finanzieren?«
    »Mein Gott, die Garzones erben ein Vermögen! Da kann man schon mal ein wenig großzügig sein.«
    Franco versuchte abzuwiegeln, doch damit gab sich Curzio nicht zufrieden. Solch einen Schwachsinn hatte er nicht mehr gehört, seit alle gefaselt hatten, daß Benito eines natürlichen Tods gestorben sei. Franco kippte den Grappa hinab und drehte das leere Glas zwischen den Fingern herum. Curzio fragte: »Wieso hat sich Marta darauf eingelassen?«
    Franco wirkte gehetzt. In die Enge getrieben. Seine Blicke irrten durch den Gastraum, als erhoffe er sich ein Wunder, das es ihm ersparte zu antworten. Als müsse am Nachbartisch ein Feuer ausbrechen oder ein Gast über Vergiftungssymptome klagen. Vielleicht dachte er auch darüber nach, einen Toilettenbesuch vorzutäuschen, durchs Fenster in den Nachbarhof zu klettern und für immer in Rom unterzutauchen. Doch keine Katastrophe rettete ihn, und Franco haute auch nicht ab.
    Schließlich sagte er: »Ich habe Marta versprochen, ihre Erbansprüche zu unterstützen. Zum Beispiel könnte ich beschwören, daß Benitos Unterschrift im Testament echt sei.«
    »Und dafür hat Marta dir …« Curzio brach ab. Das ergab keinen Sinn. Er schüttelte den Kopf. Das ergab nur dann Sinn, wenn Benitos Unterschrift nicht echt war. Jemand hatte das Testament gefälscht! Nein, nicht jemand, Marta

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