Die Drachenflotte (German Edition)
von der Welt isoliert, wie wir das hier getan haben, entscheidet man sich im eigenen Interesse dafür und nicht in dem seiner Kinder. Ich weiß, dass deine Mutter nicht so eine gute Mutter war, wie sie vielleicht hätte sein können, aber solange sie so mutlos ist, musst du wenigstens vorgeben –»
Das war zu viel. «Wie kannst du so etwas sagen», schrie sie ihn an und begann wild auf ihn einzuschlagen. «Was fällt dir ein? Sie ist die beste Mutter auf der Welt. Sie hat alles für uns getan. Alles! Du verdienst sie nicht. Du hast sie nie verdient. Sie ist zu gut für dich. Du hilfst ihr ja noch beim Sterben !» Als diese schlimmste Anklage, die wie ein Stachel in ihrem Herzen gesessen hatte, heraus war, konnte sie, zitternd vor Erregung und von Schluchzen überwältigt, kein Wort mehr sagen.
Adam nahm sie beim Handgelenk und zerrte sie in sein Büro. Yvette lag halb aufgerichtet in einem Berg von Kissen auf dem Feldbett, neben dem ihr Rollstuhl stand. Einen Moment war es ganz still. Dann breitete Yvette mit schmerzerfülltem Gesicht die Arme aus. Rebecca rannte in hilflosem Jammer durch das Zimmer und warf sich in die Umarmung ihrer Mutter.
Danach hatte sich Yvettes Befinden gebessert. Sie hatte sich wohler gefühlt. Rebecca hatte sogar zu hoffen gewagt. Aber es war eine Fata Morgana gewesen.
Erst kürzlich hatte sie bei einem Aufenthalt in Kenia beobachtet, wie eine alte Antilope von Löwen gerissen worden war. Als sie den Kampf verloren hatte, hatte sie den Kopf gehoben und ihrer eigenen Schlachtung mit der gleichen quälend stillen Akzeptanz zugesehen, wie Yvette sie in jenen letzten Wochen gezeigt hatte. So doch nicht, hatte Rebecca gedacht. Der Tod war das Schlimmste, was es gab, und musste bekämpft werden, selbst wenn die Hoffnung dahin war. Aber Yvette hatte sie schon unwiderruflich verlassen. Die Welt war ihr gleichgültig geworden. Erst später erkannte Rebecca, dass Adam mit List ihre Aussöhnung mit ihrer Mutter herbeigeführt hatte, damit diese Ruhe finden und in Frieden sterben konnte.
Die Blumenbeete rund um das Grabmal waren mit Orchideen bepflanzt, Yvettes Lieblingsblumen aus ihrem heimischen Hochland. Sie mussten reichlich und regelmäßig gegossen werden, um in diesem trockenen Klima zu überleben. Rebecca erinnerte sich mit bitterer Ironie ihrer demonstrativen Trauer bei Yvettes Beerdigung, ihres Weinens und Schluchzens, ihrer Weigerung, sich trösten zu lassen, zu essen und zu trinken. Alle werden meinen Schmerz sehen und erkennen, wie tief ich getroffen bin, hatte sie gedacht. Sie werden mich mit meinem Vater vergleichen und ihn für zu leicht befinden. Doch diese liebevoll gepflegte Grabstätte war der Beweis, dass Adams Liebe wahr und tief und beständig war. Ein Gedenken an ihre Mutter, ein Ort, den sie seit zehn Jahren nicht mehr aufgesucht hatte.
Nur eine war hier für zu leicht befunden worden, und das war sie.
II
Knox fuhr mit einem Ruck aus dem Schlaf. Draußen schien die Sonne, und es wurde schon warm. Als er aufstand, um sich zu waschen und anzuziehen, fiel ihm auf, dass er immer noch seinen Notfallanhänger um den Hals trug. Miles bestand darauf, dass er sich das verdammte Ding umhängte, wenn er im Ausland war, aber jetzt nahm er es ab und packte es weg. Es war mit dem MGS-Logo versehen und hätte sein Märchen vom freien Journalisten aufdecken können. Während er sich auf dem Gaskocher Kaffee machte, überlegte er, was er tun sollte.
Auf dem Empfangstresen lag ein kleiner Stapel Faltblätter zu den Gästehütten in der Nähe. Er nahm eins mit hinaus und las es durch, während er den Kaffee trank. Englischer und französischer Text mit touristischen Fotografien garniert: ölglänzende Sonnenanbeter auf weißem Sand; Kaiserfische in kristallklarem Wasser; ein bärtiger Mann, vermutlich der Eigentümer, der in einem Zodiac-Schlauchboot über die Wellen ritt; ein Segelboot, dunkel umrissen vor einem flammenden Sonnenuntergang. Als er Schritte hörte, blickte er auf und sah Rebecca aus dem Dornbuschwald kommen. Grüßend hob er seinen Becher. «Kaffee?», fragte er.
«Gern, danke.» Sie nickte.
Nachdem er sich selbst auch gleich noch einmal eingeschenkt hatte, trug er die beiden Becher hinaus und setzte sich neben sie auf die Verandabank. Sie hielt sich den Becher unter die Nase, atmete tief ein und warf ihm dann von der Seite einen Blick zu. «Ist wohl kein richtiger Urlaub, wenn man sich rasieren muss, hm?»
«So was in der Art.» Er lächelte. Der Himmel war klar, nur
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