Die Drachenflotte (German Edition)
hatte uns zum wissenschaftlichen Denken erzogen. Religion war etwas für – Feiglinge.»
«Und da haben Sie ihn und seinen Glauben verhöhnt, bis er zur Flasche gegriffen hat und auf Sie losgegangen ist?»
Ein graubärtiger alter Mann mit einer Suppenschildkröte auf der Schulter kam ihnen auf der Straße entgegen. Rebecca sah ihn kopfschüttelnd an, als er vorüberging. Hier war es verboten, Schildkröten zu jagen, gleich welcher Art, ihre Eier zu sammeln, ihren Panzer oder ihr Fleisch zu verkaufen, aber niemand kümmerte sich darum. Die Schildkrötenschlachtung war in einigen dieser Gemeinden immer noch ein großes Ereignis. Die Leute opferten die Tiere auf Mangrovenaltären, brachten ihren Vorfahren Trankopfer dar, um sich zukünftiges Wohlleben zu sichern, und ahnten nicht, dass sie mit jeder getöteten Schildkröte genau das unwahrscheinlicher machten. «In Wirklichkeit hat er gar nicht geglaubt», sagte sie. «Es war nur ein Mittel, um meine Mutter am Leben zu erhalten, verstehen Sie?»
«Ja», sagte Daniel, «das verstehe ich.»
«Er sagte immer: ‹Wir glauben nicht, weil wir denken. Wir glauben, weil wir lieben.› Ich habe das damals nicht verstanden.»
«Aber jetzt?»
«Sagen wir einfach, ich habe begriffen, dass ich auch nicht unfehlbar bin.» Sie blickte zu ihm hinüber. «Ich finde ihn, verlassen Sie sich drauf. Ich finde sie beide.»
«Das bezweifle ich nicht», sagte er «Und wenn Sie Hilfe brauchen …»
«Was?» Sie lächelte. «Meinen Sie, abgesehen davon, dass Sie jetzt eigens mit mir bis nach Toliara fahren, um mir zu helfen, das Boot zu holen?»
«Genau das meine ich», antwortete er ruhig.
«Danke.» Sie nickte. «Kann gut sein, dass ich Sie beim Wort nehme.»
II
Es kostete Boris weit mehr Zeit als erwartet, einen geeigneten Ort für das Treffen mit dem Waffenhändler zu finden, und seine ohnehin schon schlechte Laune, als er ins Hotel zurückkehrte, wurde noch schlechter, als er Davits Veranda leer sah und die unmissverständlichen Geräusche aus der Hütte hörte.
«Davit», schrie er und schlug donnernd an die Tür. «Mach auf, verdammt noch mal.»
«Einen Moment», rief Davit.
«Sofort!»
Drinnen wurde getuschelt, dann öffnete Davit, nur mit einem Handtuch um die Hüften, die Tür. «Kann das nicht warten?»
«Nein.» Davit versuchte, ihm den Blick ins Zimmer zu versperren, aber er sah Claudia trotzdem, die unter einem zerknitterten weißen Leintuch auf dem Bett lag. Er verspürte einen unerwartet heftigen Anflug von Eifersucht, er hatte selbst auf sie Lust gehabt. «Verdammt, ich hab dir gesagt, du sollst schauen, ob du Knox siehst», schimpfte er. «Kannst du eigentlich gar nichts richtig machen?»
«Hey, bleib locker, Boss. Ich weiß, wo er ist.» Er trat auf die Veranda, schloss die Tür hinter sich und griff nach dem Reiseführer. «Hier. Eden heißt der Ort. Claudia hat mir gesagt, dass die Straße noch vom letzten Zyklon verwüstet ist, wir können also nicht mit dem Wagen fahren. Aber wir können bestimmt problemlos eine Piroge mieten.»
Boris ließ sich das durch den Kopf gehen, während er den kurzen Kommentar las. Wenn er eine Piroge nahm, machte er sich von anderen Leuten abhängig, und das hasste er. Und er würde eine kilometerbreite Spur hinterlassen. Andererseits ließe sich sein Auftrag weit sicherer in einem abgeschiedenen Naturschutzpark ausführen als hier oder auf einem Bergungsschiff. Er schaute den Strand hinunter zu dem Holzboot, das kieloben auf dem Sand lag. Mit dem Außenbordmotor, den er in der Rezeption gesehen hatte, einem Zelt und ein paar Sachen aus dem Campingladen könnten er und Davit sich leicht als Naturliebhaber ausgeben, die für ein, zwei Tage in den Dornbuschwald wollten. Aber zuerst brauchten sie das Boot. «Hol deine Freundin», befahl er Davit. «Ich hab einen Job für sie.»
III
Knox und Rebecca überquerten eine lange Brücke über einen breiten Fluss, dann waren sie in Toliara, einer relativ großen Stadt mit heruntergekommenen Häusern und Hütten und aufgebrochenen Straßen. Dünne Männer zogen grellbunte Rikschas, und an den Mauern rekelten sich junge Frauen in aufreizenden Posen. Knox wartete mit Zanahary draußen, während Rebecca den Anwalt aufsuchte, um ihm die Versicherungsunterlagen für das Boot ihres Vaters zu geben.
Die Erledigung der Formalitäten brauchte ihre Zeit. Es wurde dämmrig, bis der Hafenmeister das Boot freigab. Der Hafen lag auf einer künstlichen Insel am Ende einer etwa einen Kilometer langen
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