Die Drachenflotte (German Edition)
Tischen davonging, tat sie es in devoter Haltung, seitwärts gedreht, einen Arm hinten, einen vorn, wie eine dieser Figuren auf altägyptischen Grabmälern.
Eine madagassische Musik- und Tanzgruppe unterhielt die Gäste. Ihre Musik war vom Rhythmus geprägt, an traditionelle ursprüngliche Formen angelehnt. Da man bis vor zwanzig Jahren infolge der gebirgigen Topographie Madagaskars an dieser Küste einzig Radio Mosambik hatte empfangen können, hatte sich in Toliara ein eigener charakteristischer Sound entwickelt, eine Mischung aus madagassischen und afrikanischen Klängen. Die Männer schrubbten wild auf ihren Instrumenten, während die Frauen wimmernd und heulend ihre Gesäße rüttelten wie Presslufthämmer. Die primitive, krude Sexualität, die ihr Tanz ausdrückte, konnte Rebeccas Stimmung nicht aufhellen. Und von ihrem Essen war auch noch nichts zu sehen. Die Kellnerin brachte schließlich einen Korb mit geschnittenem Baguette und ein Schälchen Nüsse.
Daniel riss einen Fetzen weiße Wolle aus einer Baguettescheibe und warf ihn auf den gefliesten Boden hinter ihr. Sie drehte sich um. Ein Katta war an einer langen schwarzen Leine an den Ast eines Baums gebunden. Rebecca liebte diese kleinen Geschöpfe, diese Mini-Kängurus mit den langen schwarz-weiß geringelten Schwänzen, die springen konnten wie die Weltmeister. Dieses hier war ein männliches Tier, sie konnte es an dem kleinen dunklen Päckchen zwischen seinen Hinterbeinen erkennen. Beim Anblick des Brots, das knapp außerhalb seiner Reichweite landete, begann er aufgeregt auf und ab zu springen. Daniel stand auf, hob den Happen auf und hielt ihn dem Tier hin. Der Katta schnappte es sich mit beiden Händen, verspeiste es gierig und forderte dann begeistert springend mehr. Daniel lachte, riss noch ein Stück ab und ging in die Hocke, um den Katta auf seinen Arm zu locken, auf seine Schulter und schließlich auf seinen Kopf. Er schaute zu Rebecca hinüber und lachte wie ein Schuljunge.
«Das sollten Sie nicht tun», sagte sie.
«Warum nicht?»
«Kattas sind nicht domestiziert. Sie sind keine Haustiere.»
Er holte den Katta von seinem Kopf und setzte ihn zu Boden. «Er scheint das aber doch ganz lustig zu finden.»
«Und woher wissen Sie das? Sind Sie Experte?»
«Nein, aber –»
«Kattas sind soziale Tiere», sagte Rebecca. «Sie brauchen ihre eigene Art.» Sie hörte selbst, dass ihre Stimme unnötig scharf klang, und merkte, dass um sie herum Schweigen eintrat, aber irgendetwas in ihr wollte heraus. «Sie brauchen den Kontakt untereinander. Sie brauchen ihre Familie. Sie wollen in eine Gruppe eingebunden sein und nicht zum Spaß dekadenter Touristen isoliert und angeleint werden.»
Er sah sie mit einem seltsamen Blick an, als er sich wieder zu ihr setzte. «Tut mir leid», sagte er. «Ich habe nicht nachgedacht.»
«Nein», erwiderte sie steif. «Offensichtlich nicht.»
In diesem Moment trat ein etwa vierzigjähriger Tourist mit überhängendem Bauch und schütter werdendem braunen Haar ins Restaurant. Er trug eine Lederhose und ein buntes Hemd und hielt eine blendend schöne junge Madagassin an der Hand. Europäer dieses Schlags traf man in Madagaskar reichlich. Zu Hause machten sie keinen Stich, und dann kamen sie hierher und nutzten die allgemeine Armut aus, um sich blutjunge Mädchen zu kaufen und sich als tolle Hechte aufzuspielen. Er setzte sich an den Nachbartisch, lehnte sich lässig zurück und rief auf eine Art, die allen zeigen sollte, dass er mit dem patron bestens bekannt war, nach einer Karaffe Rotwein. Er schaute zu Rebecca hinüber, musterte sie beifällig von Kopf bis Fuß und grinste Daniel anerkennend zu, wobei er fragend eine Augenbraue hochzog, wie um anzudeuten, dass sie vielleicht bei Gelegenheit einmal tauschen könnten.
Daniel rutschte sichtbar tiefer auf seinem Stuhl, als ahnte er Ärger voraus, Rebecca jedoch, innerlich eisig und ruhig, legte absichtlich laut los: «Habe ich Ihnen eigentlich mal von der Studie über Sextourismus erzählt, die wir durchgeführt haben, als ich in Oxford war?»
Der Mann war sichtlich erstaunt über ihr makelloses Englisch und zog ein betretenes Gesicht, wie um sich für seinen Fauxpas zu entschuldigen. Rebecca ignorierte ihn. «Es war faszinierend», fuhr sie fort. «Wussten Sie, dass Männer, die für Sex bezahlen, kürzere und dünnere Penisse haben als normale Männer? Dass sie häufiger masturbieren und weniger verdienen? Und dass sie oft bis in die Dreißiger bei ihren Müttern
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