Die Drachenflotte (German Edition)
leben?»
«Kommen Sie, Rebecca», sagte Daniel. «Lassen Sie’s gut sein.»
Sie runzelte mit gespielter Verständnislosigkeit die Stirn. «Wieso, es ist doch nur eine Studie», versetzte sie. «Ich dachte, Sie würden das interessant finden. Mir ist klar, dass Sie selbst niemals zu einer Hure gehen würden. Sie sind nicht der Typ. Ich bin sicher, diese Frau im Hotel wollte einfach nett sein, wie Sie gesagt haben. Ich meine, Sextouristen sind im Allgemeinen adipös, hässlich und unterdurchschnittlich intelligent. Und Sie sind ja nicht im Entferntesten adipös.»
«Mensch, Rebecca …»
Auch ihr Nachbar sah inzwischen gequält aus. Er neigte sich zu ihrem Tisch herüber und sagte leise: «Ich glaube, ich habe beleidigt. Entschuldigen, wenn das –»
«Keineswegs», versicherte Rebecca. «Ich erzähle meinem Freund hier nur von einer Studie, die wir an der Universität durchgeführt haben.» Sie wandte sich wieder Daniel zu. «Wo war ich stehengeblieben? Ach, ja – wussten Sie, dass bei Sextouristen die Wahrscheinlichkeit der Kahlköpfigkeit doppelt so hoch ist wie bei normalen Männern – und bei ihnen vorzeitiger Samenerguss ungleich häufiger vorkommt? Es ist wahr. Und es liegt nicht – wie man vielleicht vermuten würde – daran, dass sie pro Minute bezahlen und zu geizig sind, um sich zurückzuhalten. Nein, es liegt daran, dass sie gesellschaftlich nicht anerkannt sind, in der Gruppe ganz unten rangieren, also absolute Omega-Tiere sind. Gewöhnlich bietet sich ihnen nur dann eine Chance zu sexuellem Verkehr, wenn die …»
«Es reicht», sagte Daniel.
«… echten Männer weg sind. Dank vorzeitigem Samenerguss können sie ihren Samen ablegen und abhauen, bevor die Alphamännchen zurückkommen und ihnen das Fell …»
«Ich sagte, es reicht.» Er packte sie beim Handgelenk und drückte so fest, dass sie zusammenzuckte und ihn überrascht ansah. «Typische Biologin, wie?», fragte er leise. «Schwäche ist bei allen Arten verzeihlich, nur nicht bei Ihrer eigenen.»
«Wir sollten klüger sein.»
«Was Sie zweifellos sind. Das ist sicher ein tolles Gefühl.» Er hielt sie noch einen Moment fest, dann ließ er los und ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken. Ihr Handgelenk schmerzte, aber sie blickte nicht darauf, diese Genugtuung wollte sie ihm nicht geben. Dann kam endlich das Essen. Sie aßen, bezahlten und gingen, ohne ein weiteres Wort zu wechseln.
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Kapitel 20
I
K nox wurde ein wenig vom schlechten Gewissen geplagt, als er am nächsten Morgen um fünf bei Rebecca klopfte. Der Mann gestern Abend im Restaurant war wirklich ein fürchterlicher Kerl gewesen. Sie hatte ein Recht auf ihre kleine Rache gehabt, zumal wenn man bedachte, unter welch innerer Anspannung sie stand. Seine Aufgabe wäre es gewesen, sie zu unterstützen, anstatt ihr in den Rücken zu fallen. Aber als er Wiedergutmachung leisten wollte und sich erbot, ihre Tasche zum Taxi hinunterzutragen, schüttelte sie den Kopf und versicherte, sie komme gut zurecht.
Am Hafen herrschte bei ihrer Ankunft schon Hochbetrieb, obwohl die Sonne noch nicht aufgegangen war. Hoch oben auf einem Kran ließ ein Schweißer die Funken sprühen, als gäbe es etwas zu feiern. Stahlseile ächzten beunruhigend, als von einem Containerschiff ein riesiges Netz prallvoll mit Holzkisten abgeladen wurde. Die Huren der vergangenen Nacht kochten Kaffee und Reis für ihre Männer, Kinder drängten sich auf der Mole unter Decken zusammen, um Krebse zu fangen. Die Yvette schlug sachte schaukelnd gegen die Traktorreifen, die an der Kaimauer als Puffer dienten. Knox sprang auf das Deck. Als er Rebecca helfen wollt, verschmähte sie seinen Beistand und ließ sich demonstrativ allein hinunter.
Noch einmal inspizierte er das Boot. Ein leichter Westwind drückte es gegen den Kai. Er startete den Motor und ließ ihn laufen, während er hinten und vorn die Halteleinen von ihren Stahlpilzen losmachte und verstaute. Dann stieß er das Boot von der Kaimauer ab und manövrierte es gemächlich tuckernd durch den Verkehr aus dem Hafenbecken hinaus. Er schaltete den Motor wieder aus, setzte das Großsegel, nahm seinen Platz im Heck ein und trimmte das Boot, bis sich plötzlich das Segel mit Wind füllte und sie Fahrt gewannen. In flottem Tempo durchsegelten sie frühmorgendliche Nebelbänke.
Der Himmel über der felsigen Landsilhouette wurde allmählich heller, Siedlungen aus strohgedeckten Hütten zeigten sich an der Küste, und immer wieder die
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