Die Drachenflotte (German Edition)
Geräte, getragen von einem Aktenschrank mit drei Schubladen. Die beiden oberen Schubladen waren leer, in der untersten fand er Hängeordner mit Bergungsgenehmigungen, Korrespondenz und Verträgen mit MGS und einen Bericht, den Emilia über ihren Besuch in England geschrieben hatte und in dem sie die Geheimhaltungsversprechen erwähnte, die sie sich von allen Projektteilnehmern bei MGS hatte geben lassen. Knox hätte sich nichts Besseres wünschen können, um Rebecca sein Verhalten zu erklären, als sie hier herunterzubringen und sie diesen Bericht lesen zu lassen.
Er steckte ihn in den Ordner zurück und sah sich die Regale zu beiden Seiten an. Die Bücher über die Schatzflotten und über Unterwasserarchäologie, die er Emilia geschenkt hatte, fanden sich eingereiht zwischen anderen Fachbüchern und ausgedruckten Artikeln. Vor allem aber interessierte ihn die Metallstellage. Zwar waren die meisten Borde leer, wohl in Erwartung des Bergungsbeginns, doch es standen ungefähr ein Dutzend weißer Plastikkübel und mehrere Kartons da. Der erste Kübel enthielt mehrere Handvoll Silberreales; aber das war auch die einzige Spur von der Winterton , die er fand. Alles andere war eindeutig chinesischer Herkunft oder aber unmöglich zuzuordnen. Kübel mit Keramikscherben standen neben solchen mit verrosteten Nägeln, Eisenteilen und Ming-Münzen. Es gab einige Stücke, die fast unversehrt überlebt hatten. Bei den meisten handelte es sich um grobe Gebrauchskeramik, doch zwei waren von ganz anderer Art. Sehr vorsichtig ergriff Knox eine blau-weiße Schale und drehte sie in den Händen. Selten hatte er ein so edles Stück Eierschalenporzellan gesehen, geschweige denn in der Hand gehalten. Und es war makellos, soweit er erkennen konnte, ohne Sprung und Kratzer, bis auf eine ganz leichte Verfärbung bei den sehr künstlerisch gemalten Abbildern von Granatäpfeln, Weintrauben und Litschis, die es schmückten. Ein ganz ähnliches Stück war bei einer Versteigerung vor ungefähr einem Jahr für mehr als zwei Millionen Dollar verkauft worden. Cheung hatte sich in seinem Jubel gar nicht genugtun können darüber, wie reich sie alle werden würden. Und hier stand dieses Stück ganz einfach auf einem Regal in einem dunklen Keller.
Er stellte die Schale wieder hin und nahm einen emaillierten Flakon zur Hand, der hinten und vorn prachtvoll mit Drachenbildern verziert war. Langsam ging er weiter, und am Ende des Regals stieß er auf eine kunstvoll geschnitzte Holzkassette, die mit Seidenpapier gefüllt war. Als er es vorsichtig herauszog, entdeckte er darunter eine Scherbe schwarzer Keramik. Sein Herz schlug schneller, behutsam nahm er sie heraus. Es war unverkennbar die Figur eines knienden Mannes, auch wenn ihm Kopf und Füße und ein Teil der linken Körperseite fehlten. Ein abgebrochener Stamm oder Bügel ragte vielleicht einen Millimeter aus seinem Rücken hervor. Es war nicht das Stück an sich, das ihn erregte. Es war die Technik. Die kleine Figur sah überhaupt nicht nach chinesischer Keramik aus.
Sie sah nach einer Chimú-Arbeit aus.
II
Rebecca schaute finster zu Andriama auf, sie hoffte, Feindseligkeit würde ihn verscheuchen. Er schien es nicht einmal zu bemerken. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich, winkte einer Bedienung, bestellte heiße Schokolade und ein Stück Gebäck. «Sie sind heute schon früh hier», sagte er. «Sie haben vielleicht in Toliara übernachtet?»
Rebecca war auf der Fahrt an einer Polizeikontrolle vorbeigekommen. Sie waren in Madagaskar so häufig, dass sie sich gar keine Gedanken gemacht hatte. Aber irgendetwas an Andriamas Verhalten weckte in ihr den Verdacht, dass dieses Zusammentreffen kein Zufall war. «Ich bin gerade aus Eden gekommen», sagte sie.
«Aus Eden?» Er tat verwundert. «Da müssen Sie sehr früh losgefahren sein.»
«Ja.»
«Sie bringen mir vielleicht die Angaben über die Blutgruppen von Ihrem Vater und Ihrer Schwester? Vielleicht sind Sie deshalb so früh gekommen?»
Das hatte Rebecca ganz vergessen. Sie kramte in ihrer Tasche nach dem Zettel, den Therese ihr gegeben hatte, und reichte ihn über den Tisch. Andriama warf einen kurzen Blick darauf, dann runzelte er die Stirn, und diesmal war seine Verwunderung nicht gespielt.
«Was ist?», fragte Rebecca.
Andriama sah sie an. «Wir haben zwei Bluttypen auf dem Boot gefunden», sagte er. «Eine Spur von einer Frau, die zweite, sagt man mir, von einem Mann. Ich weiß nicht, woher sie wissen, was Männerblut und was
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