Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
Herrscher über das Königreich Schenn und die Provinzen Nelcken, Honau und Inidria hier sitzen. Jetzt stand er gerade auf.
Zwei Diener halfen dem König beim Ankleiden. Sie hüllten seine Beine in Hosen aus dunkelblauem Tuch, passend zu einer Tunika in sattem Nachtblau. Das Wams, das er darüber zog, war mit mehreren goldenen Broschen verziert, Stücke aus einem Drachenschatz, den Pivellius selbst vor mehr als dreißig Jahren erbeutet hatte. Die grüne Brosche fehlte. Schuldbewusst starrte Jikesch auf die leere Stelle und konnte doch ein kleines Grinsen nicht unterdrücken.
» So still heute?«, fragte der König. » Es kommt mir vor, als läge eine Wolke über der Stadt und dem Schloss. Die Sonne kommt nicht durch, dabei fängt der Sommer gerade erst an. Was ist passiert?«
» Die Drachengarde ist heute Morgen ausgerückt, Majestät«, erklärte einer der Diener.
Pivellius richtete den Blick auf den Narren, der neben dem großen Ankleidespiegel saß und mit den Zipfeln seiner Narrenmütze spielte.
» Selbst du verbreitest Trübsinn«, beschwerte sich der König. » Soll ich das als schlechtes Vorzeichen nehmen? Werden die Ritter nicht vollzählig zurückkommen?«
Jikesch begutachtete sein eigenes Lächeln im Spiegel; eine zähnefletschende Grimasse. Ihm war nicht nach Scherzen, und sein Herz war schwer, es fühlte sich an wie ein Stein in seiner Brust.
Er hatte dafür gesorgt, dass Linnia bei dieser Mission dabei war – obwohl er es versäumt hatte, mit ihr über das Schwert zu sprechen. Nein, ein lustiger Tag begann anders. Wenn er schon dazu fähig war, Prinz Arian zu etwas zu zwingen, was dieser nicht wollte, warum dachte er dann nicht erst nach, bevor er seine Macht einsetzte?
Du hast es verbockt, Jikesch. Oh, du trägst diesen Hut mit Fug und Recht, königlicher Narr.
» Die Ritter sind gewillt, sich notfalls braten zu lassen«, sagte er düster. » Narren wie ich, mutig und unerschrocken. Man könnte sie für Löwen halten, wenn sie etwas mehr Haare hätten.« Er war nicht hier, um den König mit schweren Gedanken zu belasten. Die violette Gestalt im Spiegel grinste breit, mit blitzenden Zähnen. » Und der Drache hat sich ein Kochbuch gekauft mit schönen Bildern. Leider wird er nicht dazu kommen, irgendeins der Rezepte auszuprobieren. Die Ritter haben ihr Besteck mitgebracht und einen gesunden Appetit. Bevor der Drache ihnen sagen kann, dass sie die Einladung falsch verstanden haben, landet er selbst auf dem Tisch, flambiert und mit Trauben und Äpfeln garniert.«
» Hm«, machte der König.
Jikesch hätte sich am liebsten gegen die Stirn geschlagen. Das war nicht witzig, sondern weit entfernt davon, irgendjemanden zum Lachen zu bringen. Aber sein Mund war trocken, und die Gedanken waberten zäh durch sein Hirn. Oh, er konnte es noch – hatte er das nicht erst vorhin im Hof bewiesen? Er war in der Lage, Menschen dazu zu bringen, andere Wege einzuschlagen als jene, die sie geplant hatten. Doch statt zu jubeln musste er sich darauf konzentrieren, nicht mit trübem Blick in irgendeiner Ecke zu hocken.
Ein Mädchen schritt durch seine Gedanken, ein blondes Mädchen mit einem weißen Pelz um die Schultern. Sie sah ihn an und lächelte, doch ihre Augen waren nicht mehr blau wie der Himmel, sondern dunkel wie die Nacht. » Ich weiß, was dir Freude macht«, wisperte sie. » Ich weiß, was du dir wünschst, im tiefsten Inneren deines Herzens, oh, ich weiß, was dort wohnt.«
» Garniert mit einem Schatz«, flüsterte er und hauchte den Spiegel an. » Mit Ringen und Ketten und Broschen …«
Oh verdammt! Warum hatte er das jetzt wieder gesagt! Natürlich streckte Pivellius die Hand aus, damit ihm jemand die Kette der verstorbenen Königin hineinlegte, eben jene goldene Kette mit dem grünen Stein, die er so viele Jahre mit sich herumgeschleppt hatte und die ihm verlorengegangen war. Kein Thema, um die Laune des Monarchen zu heben.
Jikesch biss sich auf die Zunge.
» Au!«, schrie er. » Ein Blutstropfen, groß und schön wie ein Rubin, ein funkelnder Edelstein. Ich bin reich! Ich bin ein König!«
Pivellius benetzte seinen Bart mit parfümiertem Wasser und griff nach seinem Zepter. Ein ganz ähnliches hatte er vor wenigen Monden seinem Sohn überreicht und ihm damit die Macht über das halbe Königreich überantwortet, doch da der König ein Mensch mit eingefleischten Gewohnheiten war, hatte er dieses hier behalten. Den Stab mit der vergoldeten Kugel am oberen Ende brauchte er nicht nur, um sich
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