Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
mit«, sagte sie. » Bei Ukios. Er liebt Blumenzeichnungen, und ich kenne mich glücklicherweise ganz gut mit Blüten und Kräutern aus. Merkwürdigerweise konnte er mir nicht viel über Euch erzählen. Ihr seid nie dabei, wenn die anderen Gesellen etwas trinken gehen. Ein Einsiedler und Eigenbrötler. Anscheinend sieht man Euch kaum im Schloss, Ihr sitzt nur in Eurer Kammer und arbeitet. Dafür seid Ihr erstaunlich oft gar nicht da, wenn man bei Euch anklopft.«
» Mag sein«, sagte Nival betont beiläufig, als würde es ihn gar nicht interessieren, dass sie sich so viele Gedanken über ihn machte.
» Ich habe hin und wieder vor Eurer Tür gestanden«, bekannte Chamija, so bedeutsam, als wären andere Männer für dieses Geständnis gestorben.
» Aha«, meinte Nival, dem beim besten Willen nicht einfallen wollte, wie er darauf reagieren sollte. Er konnte ja schlecht sagen: Ich will Euch nicht vor meiner Tür! Mir graust es vor Euch!
Sie war stehen geblieben, dicht vor ihm, und legte ihre zierliche kleine Hand an sein Wams mit den versilberten Knöpfen.
» Linnia ist meine Freundin«, sagte sie, » und ich will ihr nicht wehtun. Sagt mir eins: Ist da irgendetwas zwischen euch, oder seid ihr wirklich nur Nachbarn gewesen, wie sie behauptet?«
» Bloß Nachbarn«, brachte er heraus, sich ihrer Nähe nur allzu sehr bewusst. Um nichts in der Welt hätte er seine wahren Gefühle für Linnia preisgegeben, aber ihm war klar, dass seine eilige Antwort wie eine Einladung klang.
» Gut«, flüsterte sie und lehnte den Kopf an seine Brust.
Wieder einmal wusste er nicht, was er tun sollte. Ein gewöhnliches Mädchen hätte er eilig abgewimmelt und sich aus dem Staub gemacht, doch eine mächtige Zauberin zu brüskieren konnte sich als verhängnisvoll erweisen. Zögernd streckte er die Hand aus und berührte unbeholfen ihr Haar.
» Wovor hast du Angst?«, fragte sie leise, das Ohr genau über seinem Herzen. Er konnte das wilde Hämmern nicht willentlich bezähmen.
» Das ist keine Angst. Ich … ich will bloß nichts falsch machen.« Erstaunlicherweise war das sogar die Wahrheit. Er wollte höchst ungern noch einen weiteren Fluch auf sich laden.
Hell und klein schimmerte ihr Gesicht im Licht der Straßenlaternen, und die üppige Haarpracht lag wie ein Gespinst aus allerfeinstem Spinnengewebe um ihren Kopf.
Was würde Linnia wohl denken, wenn sie ihn mit Chamija so sah, so innig vertraut? Linnia, mit Arian im Arm … Es sollte ihn nicht kümmern, was sie dachte. Er war frei, zu tun, was immer er wollte, und warum hätte er sich nicht mit dem hübschesten Mädchen weit und breit abgeben sollen? Nur leider war ihm überhaupt nicht danach.
» Du bist viel zu schön für mich«, stammelte er. Am liebsten wäre er einen Schritt zurückgewichen, hätte sich umgedreht und wäre losgerannt, doch noch hatte er sich in der Gewalt. » Das, ähm, ist … eine Ehre, die mir nicht zusteht.«
» Wie meinst du das? Du bist ein Schreiber, ich bin eine Schreiberin. Was ist daran nicht in Ordnung? Wir sind beide freie, erwachsene Menschen. Warum sollte ich nicht wählen, wen ich will?«
» Weil … oh ich tauge nicht für so etwas«, stöhnte er. Nicht einmal, um hinter ihre Geheimnisse zu kommen, nicht einmal, um Linnia eins auszuwischen, nicht einmal, um sich das Wohlwollen einer mächtigen Zauberin zu sichern, würde er Chamija küssen. Ihre Lippen streiften seine Wangen, als er sich fortdrehte und zurücksprang.
» Nival!«, rief sie fassungslos, und die Enttäuschung in ihrer Stimme klang so echt, die Tränen glitzerten so mitleiderregend in ihren Augen, dass er sich vorkam wie der gemeinste Schuft, als er das tat, was er schon die ganze Zeit hatte tun wollen: Er drehte sich um und rannte, als wäre ein ganzer Schwarm fliegender Drachen hinter ihm her.
9
Chamija weinte. Linn beugte sich über sie, legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.
» Was hast du? Ist etwas passiert? Hat jemand dich beleidigt?«
Das Mädchen setzte sich auf. Ihr helles Haar schimmerte im Dunkeln. » Nein, Linnia. Lieb, dass du fragst. Mir ist nur … ach!« Sie seufzte. » Du bist meine einzige Freundin hier, nicht wahr?«
» Natürlich«, sagte Linn. » Das bin ich.« Sie setzte sich neben Chamija aufs Bett und umarmte sie. » Sag mir, was dir Kummer macht.«
» Wirst du immer zu mir halten?«, wisperte das jüngere Mädchen mit tränenerstickter Stimme. » Wirst du das?«
» Natürlich.«
» Versprichst du mir das?«
Unwillkürlich dachte
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