Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
offenbar nicht verzeihen konnte, dass sie dem Drachen von Quintan unversehrt entkommen war, während er immer noch hinkte.
» Es muss nicht elegant wirken.«
Besonders die Ritter adliger Herkunft – also eigentlich alle – achteten sehr auf einen eleganten Stil mit tausend Verbeugungen, höflichen Beschimpfungen und einer ganzen Abfolge möglichst unterschiedlicher Finten. Je mehr man davon beherrschte, desto größeren Eindruck konnte man schinden.
» Solche Leute verstehen nichts von Stolz und Ehre«, raunte einer der Gardisten seinem Nachbarn zu, halblaut, sodass auch wirklich alle es hören konnten. » Kein Wunder, wenn man bedenkt, wer ihr Vater war.«
Linn biss die Zähne zusammen. Ihren Erzeuger zu verteidigen würde es nur noch schlimmer machen. Seinetwegen die anderen Ritter herauszufordern hätte danach ausgesehen, als würde sie sich für ihn prügeln, für Harlon, einen vom König verbannten Verräter.
Sie wandte sich ab und marschierte über den Hof davon, wo ihr die blonde Prinzessin entgegenkam.
» Was machst du für ein Gesicht!« Chamija legte Linn den Arm um die Schultern und führte sie zwischen die Statuen zurück. » Hör mir zu, ich weiß, womit ich dich aufheitern kann. Heute kam wieder ein Bote aus Yan.« Sie senkte die Stimme. » Es geht mich ja eigentlich nichts an … Aber die Hauptstadt Kirilan wurde bereits eingenommen, der König ist geflohen, und die Kämpfe verlagern sich nach Süden. Auch hier an der Grenze wurden Drachen gesichtet. Darunter einer – halt dich fest –, der braun ist wie eine Kröte.«
» Braun?«, wiederholte Linn aufgeregt.
» Das ist einer von deinen, nicht wahr?«, fragte Chamija. » Die hinter dir her sind – oder hinter denen du her bist. Warum sagt dir das denn keiner? Ich verstehe die Leute hier nicht, ehrlich. Wenn ich die beste Drachenjägerin an meinem Hof hätte, würde ich dafür sorgen, dass sie genug Ungeheuer vor die Klinge bekommt.«
» Die beste? Ach ja«, seufzte Linn. » So weit bin ich leider noch nicht.«
» Würdest du … hast du je in Erwägung gezogen …« Das Mädchen biss sich auf die Lippen. » Ich weiß, dass Scharech-Par dich gefragt hat. Würdest du nach Tijoa gehen, Linnia, wenn es dir hier zu viel wird? Was dich dort erwartet … es ist nicht vergleichbar mit dem Leben hier.«
Linn erschrak. Manchmal vergaß sie beinahe, wer Chamija in Wirklichkeit war, nämlich die zukünftige Königin von Tijoa.
» Dort interessiert es keinen, was dein Vater getan hat. Du könntest deine Zauberkräfte erproben. Wir haben auch Drachen, die uns das Leben schwer machen, sogar mehr als hier bei euch; vor Brahans Erben haben sie wenigstens Respekt.«
» Ich …«, begann Linn, doch ihre Freundin winkte ab.
» Nein, ich will dich nicht dazu überreden. Ich wollte nur wissen, wie du darüber denkst.«
Linn hatte nie ernsthaft über das Angebot des tijoanischen Zauberers nachgedacht.
» Tut mir leid, ich hoffe, dass du nicht beleidigt bist, wenn ich es so offen sage: Aber was soll ich denn in Tijoa?«
Merkwürdigerweise hatte sie das Gefühl, dass Chamija darüber erleichtert war. Sie lächelte den Rittern zu, die sich mitten im Kampf nach ihr umschauten und pfiffen.
Linn drehte sich um.
Wie lange saß Jikesch wohl schon da und beobachtete sie? Mit Augen schwärzer als die Nacht, kälter als ein Bach aus den Bergen?
Er sprang von der Marmorfrau herunter, überschlug sich und wirbelte Rad schlagend davon, in Richtung Stall. Dort richtete er sich auf und starrte zu ihr herüber mit einem Blick, der sie frösteln ließ.
» Warte hier«, sagte Linn zu Chamija. » Ich bin gleich zurück.«
Jikesch wartete neben seiner Eselin. Als er merkte, dass Linn seinen Wink verstanden hatte, stieg er die Leiter zum Heuboden hinauf, wo sie schon viele wichtige Gespräche geführt hatten. Hier hatte sie ihm ihre Liebe zu Nival gestanden, ohne zu wissen, dass ihre beiden Freunde ein und dieselbe Person waren.
Ein Ort, den sie seitdem gemieden hatte. Ein ungutes Gefühl beschlich die junge Drachenjägerin; sie ahnte schon, worum es gehen könnte.
Durch eine Luke fiel das Licht golden flimmernd über sie, als sie sich dem Narren gegenübersetzte. Staub tanzte in der Luft. Sie hoffte nur, dass er nicht herumschrie.
Jikesch schwieg. Lange. Was sollte dieser eindringliche Blick? Er sagte kein einziges Wort.
» Ist es denn so schlimm?«, brach es aus ihr heraus. » Ich wollte ihm helfen, mehr nicht. Weil ich nicht wusste, woher ich diese Salbe sonst
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