Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
nicht dabei bewenden lassen? Glaubtest du wirklich, er würde nicht erkennen, was du da tust? Du hast ihm vor Augen geführt, dass in dieser Stadt immer noch Magie praktiziert wird. Du hast ihn auf die Spur gebracht, und er ist ihr gefolgt. Du, Linnia, hast den letzten Zauberer dieser Stadt auf dem Gewissen.«
» Nein!« Sie keuchte erschrocken auf. » Der Prinz – er kann es nicht gewusst haben. Dann hätte er doch niemals zugelassen, dass ich ihn vollständig heile. Dann hätte er mich ausgefragt und mich dem Gericht ausgeliefert!«
» Nicht unbedingt«, meinte Jikesch ruhig. » Nicht, wenn er denkt, du wüsstest nicht genau, was du da getan hast. Dich ins Verlies zu sperren hätte ihm nichts gebracht. Er musste nur den Zauberer finden, der diese Mittel herstellt. Den Zauberer, den er bereits im Verdacht hatte. Der solche hübschen kleinen Tiegel mit einer braunen Paste vertreibt.«
Sie starrte ihn an. Glaubte er das wirklich? Dass sie am Tod eines Mannes schuld war?
» Schirdan ist tot«, flüsterte er. » Er ist hier unten im Schloss gestorben, im Verlies. Damit ist der einzige Mensch tot, der Mora hätte retten können.« Er stand auf. Von Jikeschs zauberhafter Anmut war nichts übrig, er bewegte sich so vorsichtig, als würden ihn unvorstellbare Schmerzen in die Knie zwingen. » Mir bleibt nur, Chamija zu bitten, dass sie Mora heilt. Vielleicht«, fügte er leise hinzu, » war genau das ihr Plan. Mich dazu zu bringen, dass ich auf den Knien vor sie hingekrochen komme.«
» Chamija?«, fragte Linn verwirrt. » Was hat sie denn damit zu tun?«
» Außer, dass sie jetzt die einzige Zauberin in Lanhannat ist? Dass niemand ihr mehr entgegentreten kann?«
» Chamija?« Linn konnte nicht fassen, wie er von ihrer Freundin sprach. » Aber sie ist gar keine Zauberin. Sie ist doch bloß …« Sie biss sich auf die Zunge, bevor sie verraten konnte, dass das Mädchen nur die Verlobte eines Zauberers war. Allerdings des mächtigsten Zauberers von Tijoa, vermutlich des mächtigsten überhaupt zwischen dem Berater Gebirge und dem Großen Fluss.
» Das war alles, was ich dir noch sagen wollte«, meinte er, während er zur Leiter ging. » Ich habe dir vertraut, Linnia. Das war ein Fehler, wie ich nun weiß. Wir haben dich an unseren Geheimnissen teilhaben lassen, damit ist jetzt Schluss.«
» Warte!«, rief sie. » Was heißt das?« Sie konnte es nicht ertragen, dass er ging, als wollte er niemals wiederkommen.
Er hob den Kopf, mit den Füßen stand er schon auf der Leiter. Seine Augen, hell und zugleich dunkel, kalt und hart wie Kieselsteine, sahen irgendwie an ihr vorbei, als wäre es unerträglich für ihn, sie auch nur mit seinem Blick zu streifen.
» Sprich nicht mit mir«, sagte er. » Ich kenne dich nicht mehr. Wage es nicht, zu meinem Haus unten in der Stadt zu kommen. Solltest du die Frechheit besitzen, weiterhin meine Geheimgänge zu benutzen, werde ich mich zu wehren wissen. Wenn du noch mehr Geheimnisse ausplauderst, kann ich dich nicht daran hindern, und ja, ganz ehrlich, ich rechne sogar damit. Aber was immer du tust, du wirst mir nicht noch einmal in die Quere kommen. Dafür werde ich sorgen.«
Er verschwand. Als Letztes sah Linn seine Mütze, die lustigen Glöckchen bimmelten freundlich. Sie wollte weinen, und in ihrer Kehle schmerzte ein wildes Schluchzen, aber ihre Augen blieben trocken. Wie eine Katze rollte sie sich im Heu ein und starrte in die golden flirrende Luft, in der die Staubkörnchen tanzten.
» Was willst du hier?« Nival starrte sie finster an. » Ich habe dir gesagt, du bist hier nicht erwünscht.«
» Lebt sie noch?« Linn schob ihn einfach zur Seite, ohne seine Wut zu beachten. » Wo ist sie?«
» Du hast hier gar nichts …«
Sie spähte nacheinander in alle Zimmer, bis sie die Kranke im oberen Stock fand, auf Nivals Bett. Wie eine Hülle, klein und beschädigt, die Mora, als sie gegangen war, einfach hiergelassen hatte, weil es sich nicht lohnte, sie mitzunehmen. Geronnenes Blut verklebte ihren Hinterkopf und zog sich wie eine dunkle Schlange über ihr Ohr.
Linn setzte sich auf den kleinen Hocker, der aus ein paar Bruchsteinen zusammengesetzt war, und wollte die Hand der Bewusstlosen ergreifen, als sie bemerkte, wie dunkel verfärbt und geschwollen diese war.
Sie begnügte sich damit, ihre Finger sanft auf Moras Arm zu legen.
Nival trat hinter ihr in die Kammer, lautlos wie ein Schatten. Er presste die Lippen zusammen, sagte aber nichts, am Krankenbett wollte er offenbar
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