Die Drachenjägerin 2 - Winter, M: Drachenjägerin 2
nicht gab – wofür hatte sie dann gekämpft und Nat Kyah betrogen, und wofür hatte er die Zerstörung über die Stadt gebracht?
» Woher weißt du das?«
Die Zauberin verzog den Mund zu einem Lächeln. » Es hat seine Vorteile, wenn Magie nicht verboten ist und Wissen ausgetauscht werden darf. Nun sollten wir uns jedoch wieder deinem Problem zuwenden.«
» Ich konnte Nat Kyah also besiegen, mit seiner eigenen Schuppe, weil er noch lebte. Das ist … bei Arajas, das ist grausam.«
» Für ihn schon«, stimmte Chamija ungerührt zu. » Verstehst du nun? Dem nächsten Drachen konntest du damit nicht mehr schaden. Du brauchst etwas von einem lebendigen Drachen.«
Nachdenklich betrachtete Linn ihre Kette. » Könnte ich die Steine in eine Waffe umwandeln?«
» Sie haben schon eine Bestimmung«, erinnerte Chamija.
» Welche? Kannst du sie auch spüren?«
» Die Kette schützt dich«, sagte sie. » Vor Drachen und vor Zauberern. Ein wertvolles Vermächtnis.«
» Aber das hat sie ja gar nicht«, wandte Linn ein. » Mich vor dem Feuer beschützt. Ich habe mich an einigen Stellen verbrannt.«
Die Zauberin zögerte. » Vielleicht schützt sie dich nicht vollkommen. In jedem Zauber liegt auch immer ein Weg, ihn zu umgehen. Jedenfalls brauchst du zum Kämpfen eine Schuppe, die neu ist und die kein Zauberer vor dir in der Hand hatte.«
Linn nickte langsam. » Dann weiß ich, was ich zu tun habe.« Ein entschlossenes Funkeln trat in ihre Augen, und auf einmal lachte sie laut auf. » Ja!«, rief sie. » Ich weiß, was ich tun kann! Es ist so verdammt gefährlich, dass ich verrückt bin, auch nur daran zu denken, aber … Ja! So werde ich es machen.« Nun lachte auch Chamija. » Worauf wartest du dann noch?«
Nichts und niemand hätte Linn davon abhalten können, sofort auf Drachenjagd zu gehen. Nicht einmal das Verbot des Prinzen. Deshalb hatte sie ihn gar nicht erst um Erlaubnis gefragt und war auf eigene Faust losgezogen. Mittlerweile war sie sich nicht so sicher, ob das die beste Idee gewesen war, denn sie vermisste ihre Truppe mehr, als sie je gedacht hätte. Einen Drachen hatte sie auch noch nicht gefunden, obwohl sie weit in die Provinz Honau vorgedrungen war.
Das kleine Dorf, das vor Linn an einem bewaldeten Hang lag, erinnerte sie an Brina, und kurz verspürte sie den scharfen Stich des Heimwehs. Allerdings sahen die Häuser ganz anders aus, graue Mauern und strohgedeckte Dächer. Doch das Leben hier wirkte vertraut: Die Mädchen trugen bunte Bänder in den Zöpfen, und die kleinen Jungen liefen barfuß und waren so schmutzig und frech wie überall.
» Ich bin im Auftrag des Königs unterwegs«, erklärte Linn, als sich ihr ein paar Erwachsene näherten. » Ich bin eine Beamtin aus Lanhannat und zähle die Drachen, die im Königreich Schenn leben.«
Eine Lüge, aber sie hatte auf ihrer Reise rasch gemerkt, dass die Leute die Wahrheit mit Unglauben aufnahmen. Wenn sie ankündigte, dass sie gegen Drachen kämpfen wollte, lachte man sie aus. Sich als Beamtin vorzustellen war dagegen, so absurd es in ihren eigenen Ohren klang, für die meisten akzeptabel. Beamte taten merkwürdige Dinge und schrieben Zahlen in ihre Bücher; das kannte man landein, landaus von den Steuereintreibern. Dass Schreiber auf die Idee kamen, die genaue Anzahl von Drachen zu erfassen, erschien den Menschen zwar verrückt, aber glaubhaft.
» Hier gibt es keine Drachen«, versicherten ein paar Bäuerinnen, doch irgendetwas an der Art, wie sie es sagten, machte Linn stutzig. Der Mann neben ihnen, eine schwere Axt über der Schulter, war möglicherweise ein Holzfäller. Warnend schüttelte er den Kopf.
» Seid ihr sicher?« Das konnte eventuell lohnend werden. » Auch nichts … Ungewöhnliches?«
Gespannt beugte sie sich vor, und sofort wurden die Augen der Dörfler groß. Mit einem heimlichen Fluch schob Linn ihre vergoldete Dornlanze zurück ins eigens dafür genähte Futteral. Die Waffe, wie auch ihr Schwert, war ausschließlich für die Drachen bestimmt und nicht für die gierigen Blicke von Menschen.
» Ich kann euch helfen«, versprach sie. » Indem ich dafür sorge, dass der König jemanden schickt.«
» Im Wald auf der anderen Seite des Wassers lebt etwas«, flüsterte die eine. » Geht dort nicht hin!«
Im Uferschlamm zeichneten sich Spuren ab – riesige Abdrücke von krallenbewehrten Tatzen. Fünf Zehen. Tief eingedrückte Spuren – das Tier, das hier durch den Bach gewatet war, musste nicht nur sehr groß, sondern auch
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