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Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3

Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3

Titel: Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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immerhin hatte die Trauergesellschaft den Sarg nach hier unten getragen. Also ging es dort hinten, wo eine steile Wendeltreppe noch tiefer hinunterführte, bestimmt nicht weiter. Rinek bog um eine Ecke und fand sich einer ungewöhnlich aussehenden Tür gegenüber. Sie war zwei Gildreks hoch und ebenso breit, mit altertümlich aussehenden Ornamenten aus Eisen beschlagen. Weder Drachenmuster noch Schuppen waren hier verarbeitet worden, weshalb das Portal wie ein Fremdkörper wirkte – weder ähnelte es den groben Zellentüren, an denen er vorbeigekommen war, noch war es so prunkvoll wie die oberirdischen Türen. Es wirkte uralt, älter als alles, was er hier bis jetzt gesehen hatte. Ein einfaches Vorhängeschloss verband die beiden Flügel.
    Rinek blickte sich nach beiden Seiten um. Keine Wächter weit und breit. Das Unbehagen, das ihn von dieser Stelle her anwehte, machte ihm klar, warum. Niemand wollte sich den Toten in den Weg stellen, und Schätze gab es hier drinnen auch nicht zu holen. Außer ihm war wohl noch nie jemand auf die Idee gekommen, einen König zu stehlen. Das simple Schloss brach mit einem leisen Knirschen auseinander, als er die Krücke ansetzte. Das Knarren der Tür ging ihm durch Mark und Bein; er zog sie einen schmalen Spalt auf und schlüpfte hindurch.
    Absolute Finsternis empfing ihn, nur sein Gefühl verriet ihm, dass er sich in einem großen Raum befand. In weiser Voraussicht hatte er Nachtglanz mitgebracht, und als er sich das praktische Zauberpulver, das es einem ermöglichte, im Dunkeln zu sehen, in die Augen streute, überwältigte ihn der Anblick. Unter einer Gruft hatte er sich eine Art Kellerraum vorgestellt, doch dies hier war ein riesiges Gewölbe. Zwei lange Reihen von Särgen auf unterschiedlich hohen Podesten begannen an der Eingangstür und verloren sich irgendwo weit hinten im Dunkeln. Rineks Schritte hallten durchs Gewölbe, als er den Mittelgang entlanghinkte und die Särge zu beiden Seiten betrachtete. Die vorderen waren sehr groß, aus Stein gehauen, dann kamen einige Generationen vergoldeter Prunkkisten, und schließlich siegte wieder die Schlichtheit. Rinek mochte sich nicht vorstellen, dass hier die sagenumwobenen Könige früherer Jahrhunderte lagen; er kam sich vor wie ein Grabschänder, weil er, der einfache Müllerssohn, es wagte, die alten Herrscher in ihrer Ruhe zu stören. Auch wenn ihre Seelen längst bei den Göttern waren, überkam ihn ein komisches Gefühl. Was, wenn es eine dieser vielen Seelen nicht geschafft hatte und immer noch hier unten verweilte?
    Beinahe wäre er an Pivellius’ Sarg vorbeigeeilt, den er am hintersten Ende der Reihe vermutet hatte und der sich wider Erwarten mittendrin befand. Ob sie ihn einfach in irgendeine Lücke geschoben hatten? Oder – der Gedanke schreckte ihn noch mehr – war es gar nicht der Sarg des jetzigen Königs, sondern bloß einer, der jenem ähnlich sah, und er würde, wenn er den Deckel öffnete, eine uralte Leiche freilegen?
    Bang horchte er auf ein Geräusch, irgendein Lebenszeichen. Alles blieb still.
    » Pivellius? König Pivellius, seid Ihr da drin?«
    Er klopfte vorsichtig.
    Keine Antwort.
    Bei Arajas, das hier war schlimmer, als er befürchtet hatte. Viel schlimmer.
    Sorgfältig nahm er den Sarg noch einmal in Augenschein. Das Nachtglanz ermöglichte es ihm, alle Konturen wahrzunehmen, die gebrochenen Kanten, die Verzierungen. Das war der Sarg, den er bei der Prozession durch die Stadt gesehen hatte, todsicher. Oder sollte er nachschauen gehen, ob sich am hintersten Ende des Gewölbes ein ähnlicher befand?
    Ja – aber erst würde er diesen hier öffnen, da er schon einmal hier war.
    Wieder leistete ihm seine Krücke unschätzbare Dienste, als er sie unter die leicht vorspringende Kante des Deckels schob und dazu benutzte, diesen aufzuhebeln. Mit einem lauten Poltern fiel der schwere Holzdeckel zu Boden.
    Wenn hier irgendjemand noch nicht tot war, müsste ihn das eigentlich geweckt haben.
    Im Sarg lag ein Mann mit einem grauen Bart. Rinek hatte Pivellius nie gesehen, doch dieser Tote hatte eine äußerst ungewöhnliche Schlafposition gewählt – statt würdevoll auf dem Rücken zu liegen, gebettet auf die Kissen aus schimmerndem, dunklem Samt, hatte er sämtliche Decken und Kissen zerwühlt und die Füllung herausgerissen. Er hatte sich wie ein Kind auf der Seite liegend zusammengerollt, die Hände um Fetzen aus Seide gekrallt, die er aus der Verkleidung des Sarges herausgerissen hatte.
    » Komme ich zu

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