Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
rein«, forderte er den Händler auf, » bevor jemand auf uns aufmerksam wird.«
» Also ist es nicht Euer Haus«, schloss der Yaner. » Doch wenn Ihr glaubt, ich lasse meinen Karren hier unbewacht stehen …«
Rinek seufzte. Er schritt die Stufen wieder hinunter und hob den kleinen Wagen kurzerhand hinauf. Er war nicht so schwer wie erwartet. Statt Hausrat enthielt er nur …
» Nein!«
» Was ist das?«, fragte Rinek verblüfft.
» Kokons. Seidenkokons«, flüsterte Kesim. » Die Ferrans sind geschlüpft.« Tränen traten ihm in die Augen. » Es war zu kalt … aber sie sind davongeflogen. So schöne Falter, seidengrau, das Schönste, was ich je gesehen habe. Sie sind weg.«
» Ferrans?« Rinek hob eins der seltsamen graubraun gesprenkelten Gebilde aus dem Wagen. Es sah aus wie ein kleines Ei. » Daraus macht man die Seide? Wie?«
» Man macht sie nicht. Es ist die Seide. Fäden, so fein wie Nebel. Ich brauche einen Platz, um zu weben. Einen Webstuhl. Nur einen Webstuhl, und dann …« Kesim drehte sich um und verstummte.
» Was?« Rinek hatte sich im Haus noch gar nicht umgeschaut, aber die Geräte in dem großen, hellen Raum waren unübersehbar. » Oh, das … ja, das musste hier stehen. Ich hab mir schon gedacht, dass Chamija einen Ort hatte, wo sie die gefährlichen Tücher hergestellt hat – fern von Scharech-Par und den Drachen. Bestimmt hat sie es nicht einmal selbst getan, sondern einen Zauber für sich arbeiten lassen, denn sie konnte die Fäden nicht berühren. Sie muss Helfer gehabt haben, die sie hier in der Stadt gefunden hat, unter Ziege und seinen Leuten. Bitte schön, dieses Zimmer steht Euch zur Verfügung.«
» Wirklich?« Kesim näherte sich dem Webstuhl ängstlich. » Das … oh, das kann ich nicht annehmen. Wie sich das alles trifft, das muss Zauberei sein, oder? Ihr und dieses Haus und dieser Webstuhl, das ist alles zu schön, um wahr zu sein!«
» Vielleicht«, murmelte Rinek. » Aber ich bin ein Zauberer, wisst Ihr? Ich bin mit einem Zauber heute aus meinem … äh, Quartier herausgetreten, um diesen Ort zu finden. Und ein Wunsch schlummert seit einigen Tagen in mir: meiner Geliebten ein Gewand zu schenken, ein einzigartiges Gewand, das sie unbedingt braucht.« Wie immer, wenn er an Sion dachte, war sein Herz ein unentwirrbares Knäuel aus Ärger, Verlangen, Sehnsucht und Zorn. Er wollte ihr alles zu Füßen legen und fürchtete nichts mehr, als dass sie darüber lachte. Aber ein Kleid wie dieses – darüber würde sie nicht lachen, oder? Ob Kesim wohl damit einverstanden war, es im Mondlicht herzustellen? » Allerdings … die Ferrans, von denen die Seide stammt, haben nicht zufällig Drachenblut zu sich genommen? Ich glaube, die Bäume müssen damit begossen werden, oder so ähnlich?«
» Drachenblut? O ja«, meinte Kesim. » Reichlich. Mehr als reichlich. Ich fürchtete schon, dass sie sich überfressen haben.«
» Es ist äußerst praktisch, ein Zauberer zu sein, der seine Schritte lenken lässt«, stellte Rinek fest. » Das geht ja fast unheimlich leicht … wollen wir also über unserer Begeisterung lieber nicht vergessen, vorsichtig zu sein. Bleibt hier, ich will mir das Haus näher ansehen.«
Anscheinend hatte nur auf der Tür ein Zauber gelegen. Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, alles zu durchsuchen.
Eine Werkstatt mit Mörsern, Waagen, Hackbrettern, ein gusseiserner Herd mit großen Töpfen. Von der Decke hingen in Bündeln getrocknete Kräuter, die einen aromatischen Duft verströmten. Rinek suchte nach Drachenschuppen, nach Caness, nach Salben zur Wundheilung oder – und diese Hoffnung war es, die ihn hergetrieben hatte – nach einem Mittel gegen Unsichtbarkeit.
Es gab nichts. Überhaupt keine Zutaten für Magie. Nur die Kräuter, und was er in den Tiegeln und Töpfen fand, aromatische Pülverchen und Pasten, hatte ebenfalls nichts mit Drachenmagie zu tun. Ob das hier vielleicht zum Kochen diente?
Enttäuscht wühlte er sich durch jeden Raum. Kein Nachtglanz. Nichts, was mit Unsichtbarkeit oder deren Aufhebung zu tun hatte.
» Gemüse«, murmelte er bitter. » Zu früh gefreut. Es können eben nicht alle Träume in Erfüllung gehen.«
Im Dunkeln kletterte Rinek über die Stadtmauer. Er war noch nie ein besonders geschickter Kletterer gewesen, aber sein Fuß, der sich wie Wurzeln in jeder noch so kleinen Spalte festhaken konnte, erwies sich als äußerst hilfreich. Im Schutz der Nacht lief er zurück zu den Hügeln. Als er sich dem Eingang näherte, den
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