Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
ausgestreckt da. Sie zögerte nicht. Das Schwert in der Hand, stürmte sie auf ihn zu. Nival beugte sich vor, die Hände verschränkt. Sie trat hinein, und er warf sie nach oben. Sie landete mitten auf Scharech-Pars Bauch, während der Drache sich schon wieder auf die Seite drehte, und rutschte an ihm herunter. Als er sich aufrichtete, stand sie genau unter seiner Brust.
Linn packte ihr Schwert mit beiden Händen, bereit zum Zustoßen. Doch mitten in der Bewegung hielt sie plötzlich inne. Das Hohe Spiel … nein, sie durfte ihn nicht umbringen. » Ergib dich!«
Hinter ihren Augen kicherte etwas. Scharech-Pars Pranke schoss vor und legte sich um sie.
» Hab ich dich«, knurrte er. In seinem Griff kam sie sich klein und hilflos vor.
Die Stimme der Maske lachte leise. » Das ist vielversprechend. Gute Spieler sind selten.«
Die Klauen schlossen sich um Linn. Immer fester. Sie sah die Augen des Drachen vor sich, dunkel und kalt, Augen wie Bernstein, in denen seit Jahrhunderten alles Leben erstarrt war.
» Na gut«, hörte sie sich sagen. » Ich ergebe mich. Aber eigentlich habe ich gewonnen, als ich die Klinge an deinem Herzen hatte.«
Scharech-Pars Lachen fehlte jenes leise, wissende Jubeln, dieser Hauch von Geheimnis, von Spiel, der das Gelächter hinter ihren Augen so ansteckend machte.
» Es reicht«, sagte er schroff. » Beenden wir es. Wenn dich mein Feuer nicht verbrennt, gibt es genug andere Möglichkeiten, um ein lästiges Ding wie dich loszuwerden.«
» Das darfst du nicht«, sagte sie. Woher nahm sie diese Unerschrockenheit? Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. O ja, sie war sich durchaus bewusst, wo sie war. Im Griff des mächtigsten Drachen der Welt. » Wir haben das Hohe Spiel gespielt, das ist dir doch klar? Deshalb habe ich dich eben verschont, als dein Leben in meiner Hand war. Aus demselben Grund musst du nun meins verschonen. Du bist jetzt für mich verantwortlich, du …«
» Genug!«, unterbrach er sie. » Ich habe genug gehört!«
Jemand schrie, als er in die Luft stieg.
» Linn!«, rief Rinek. » O nein, nein! Linni!«
Nival stand da und sah ihr ungläubig mit großen Augen nach. Ihre Freunde im Hof wurden immer kleiner.
Sie selbst blieb erstaunlich ruhig. So war auch Königin Irana gestorben, hinabgeschmettert aus der Höhe. Am Ende hatte Nat Kyah für diesen Mord bezahlt, aber wer würde Scharech-Par zur Rechenschaft ziehen? Was er hier tun wollte, war sogar schlimmer als Mord. Niemand durfte die Regeln des Hohen Spiels brechen!
» Rean Tar«, sagte sie, während er sich höher und höher schwang. » Es ehrt mich, dass du mich auf deinen ersten Flug mitnimmst.« Ihre Stimme zitterte mehr, als sie sollte.
Die Nacht war groß und weit. Durch die Sternenfenster schien das Lagerfeuer der Götter. Lanhannat war nur noch ein verschwommener Fleck tief unten, das Schloss etwas Helles, das von der Dunkelheit verschluckt wurde.
» Nun wird es auch dein erster Flug.« Er lachte. Dann ließ er sie los.
Nicht einmal als sie fiel, konnte Linn glauben, dass dies wirklich geschah. Der Boden stürzte ihr entgegen, der Wind pfiff um sie her. Er sang. Nein, irgendetwas sang.
» Ein Spiel«, frohlockte die Stimme. » Wie geht es aus? Was wollen wir wetten?«
» Hör auf!«, schrie sie. » Das ist nicht lustig!«
Im selben Moment wurde ihr Sturz gebremst, und sie landete in einer Hand, die sich warm und sicher um sie schloss. Nein, keine Hand. Eine andere Klaue, rot. Herrlich rot. Der schönste Drache der Welt.
» Gut, dass du endlich einen Laut von dir gegeben hast«, sagte Gah Ran. » Ich hätte dich in dieser Finsternis kaum gesehen. Habe ich dir nicht verboten zu sterben?«
» Es kommt mir gar nicht so dunkel vor.« Über ihnen schwebte Scharech-Par, er schimmerte hell wie der Mond. Doch gleichzeitig bemerkte Linn die unzähligen anderen Drachen, die um sie her flogen. Sämtliche Drachen, die in Lanhannat versammelt gewesen waren, hatten sich mit ihnen in die Luft erhoben. Hunderte, nein, Tausende.
» Was haben sie vor?«, fragte sie bang.
Einer flog dicht an ihnen vorbei. » Er hat das Hohe Spiel gebrochen!«, schrie er. » Wir haben es alle gehört! Er hat die Regeln gebrochen!«
Die anderen griffen den Ruf auf. Ihr Schrei klang wie ein Gewitter, ein Getöse, das Linn in den Ohren schmerzte.
» Zurück!«, schrie Scharech-Par, und zum ersten Mal vernahm Linn Angst in seiner Stimme. » Zurück! Ich bin der König! Ich bin der ValaNaik!«
» Er hat es gebrochen!«, schrien die Drachen.
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