Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
nicht. Wir können die Regeln brechen, wenn wir wollen und die Strafe nicht fürchten.«
Er räusperte sich. » Komm.« Sanft fügte er ihren Namen hinzu: » Sion Ran.«
In den Verliesen heulten die Gefangenen und schrien nach Brot. Rinek und Sion schlüpften durch die Gänge. Vereinzelt begegnete ihnen ein verstörter Wächter, der sich rasch im Schatten verbarg, als sei er selbst ein entflohener Verbrecher. Was ging da oben vor sich, dass selbst die Soldaten des Königs sich versteckten? War Pivellius nicht zurückgekehrt, hatte er sich nicht auf seinen Thron gesetzt?
Die oberste Tür existierte sogar noch, aber dahinter roch es beißend nach Asche. Vorsichtig schob Rinek sie auf. Keine Wachen. Hier standen die Mauern noch. Er zog Sion hinter sich her, sie huschten von einer Deckung zur nächsten, und schließlich wagte Rinek einen Blick in den Thronsaal.
Das große Eingangsportal war geborsten, aber eifrig waren Diener und sogar Soldaten damit beschäftigt, Brandnester zu löschen, Trümmer aufzulesen und Asche zusammenzukehren. Auf dem Thron saß ein Mann, der sie dabei beaufsichtigte, ein Mann mit einem ausgesprochen finsteren Gesicht. Doch nicht deshalb erschrak Rinek.
» Linn hat ihn erstochen«, flüsterte er. » Ich war dabei. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie die Spitze des Dolches aus seiner Brust herausgefahren ist. Was ist das für ein Zauberer, der selbst den Tod besiegt?«
Gah Ran landete auf einem Vorsprung, einem Balkon mit einer hölzernen Brüstung. Scharech-Par hatte das Schloss nicht unbewacht zurückgelassen. Einige Drachen erhoben sich von ihren Plätzen und flatterten aufgeregt näher.
» Er ist es! Der Rote, der Verbannte!«
» Was willst du hier?«, rief einer, ein mächtiger wolkendunkler Drache mit eisengrauen Hörnern. » Er hat dich nicht gerufen! Du gehörst nicht zum Volk!«
» Beeil dich«, sagte Gah Ran zu Linnia. Eine grimmige Vorfreude schwang in seiner Stimme mit. » Ich werde schon mit ihnen fertig, aber ich empfehle dir trotzdem, nicht zu trödeln.«
Linn stieß die Tür auf, die ins Innere des Schlosses führte – gegen magische Eindringlinge abgesichert, nicht gegen normale Menschen.
Sie hastete durch die Gänge. Wo war Nival? In ihrem Zimmer fand sie ihn nicht. Blieb eine andere Stelle, an der sie ihn suchen konnte: beim Prinzen. Sie hatte richtig geraten. Während Arian hinter den Gitterstäben unablässig vor sich hin schimpfte, saß Nival auf einem Fell. Einen Moment lang konnte sie ihn unbemerkt betrachten, und ihr Herz schmolz bei seinem Anblick. Die blonden Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Wie immer, wenn er den Prinzen aufsuchte, trug er die grüne Maske. Mit seinen schlanken Händen rührte er in einer Schüssel.
» Es reicht«, beschwerte sich Arian. » Je länger du rührst, umso bitterer wird es. Du machst dir einen Spaß daraus, mich zu ärgern!«
» Mein Prinz«, sagte Nival mit seiner zauberhaften Stimme, » ich kann mir weitaus angenehmere Tätigkeiten vorstellen, als Euer Essen zuzubereiten.«
Linn hielt den Atem an. Sie hatte erwartet, dass Nival überhaupt nicht mit Arian sprach und ihn nur schweigend bediente.
Er kostete von dem Zeug, das so bitter sein musste, dass sich die Haare davon kräuselten, und ein feines Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
» Nicht übel. Wenn man Galle mag und Wermut. Oder wenn man ein Prinz ist, der die Finsternis in seinem Herzen wohnen lässt. Hier, probiert, Eure Hoheit.«
Er reichte den Teller durch die Stäbe.
» Oh, Besuch«, sagte Arian. » Ritterin Linnia!«
Nival drehte sich zu ihr um. Jede seiner Bewegungen löste ein Feuerwerk an Emotionen in ihr aus. Würde sie ihn je ansehen können, ohne so viel zu fühlen, dass es kaum auszuhalten war? Begehren. Angst um ihn. Freude, dass es ihn gab. Und Kummer, weil sein Schmerz immer auch ihrer sein würde.
Nein, vor Arian konnte sie ihm den Tod seiner Tante unmöglich mitteilen.
» Komm«, sagte sie. » Es ist dringend. Wir müssen sofort hier weg, Gah Ran kämpft draußen mit den Wächterdrachen. Ich habe Scharech-Par getötet, und alle seine Getreuen sind hinter mir her.«
Nivals Lächeln war wie ein Sonnenaufgang. » Das hast du getan?«
» Komm.« Sie fasste ihn an der Hand.
» He!«, protestierte Arian. » Was ist mit mir? Ihr wollt mich doch nicht etwa hier zurücklassen?«
» Was fürchtet Ihr, wenn Scharech-Par tot ist?«, fragte Nival.
» Was fürchtest du denn? Lass mich endlich hier raus! Soll ich hier verhungern?«
» Er hat
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