Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Rinek. » Ich kann nicht weitergehen. Da vorne kommt ein Luftzug. Ich habe keine Lust, in einen Schacht oder einen Felsriss zu stürzen.«
» Dann mach Licht, Zauberer!«, verlangte Sion.
» Ich habe keine Schuppen mehr. Deine Haare kann man wohl nicht zum Zaubern nehmen?«
» Finger weg!«, zischte sie.
Da erst merkte er, dass er die Hände etwas zu lange auf ihr Haar gelegt hatte.
» Hast du keine Frau? Keine kleine Freundin?«
» Nun ja – vielleicht«, meinte er leise. » Jedenfalls nicht auf eine Weise, die etwas damit zu tun hätte, ob ich deine Haare anfasse.«
Sion schnaubte wütend. » Dann lass mich vorgehen. Ich kann im Dunkeln sehen.«
» Ach, kannst du das?« Er hielt sie immer noch fest. » Sie wirken wie Silberfäden, aber nein, sie fühlen sich nicht anders an als die grauen Haare von alten Leuten.«
» Sie sind silbern, nicht grau!«, schnaubte Sion. » Behalt deine Hände bei dir. Und deine Meinung für dich. Ungehobelter Bursche! Ich bin eine Fürstin der Drachen, eine VeaCorik.«
» Hieß es nicht ValaCorik?«
» Das war nur eine kleine Täuschung. Es musste ja nicht jeder wissen, dass ich eine Frau bin. Drachen werden dann sofort zudringlich und wollen sich die Rechte auf mein Herz und meine Hand sichern, für den Fall, dass wir uns irgendwann wieder verwandeln können.«
» Ich bin aber kein Drache. Was kümmert mich dein Name? Ich kann es bloß nicht leiden, wenn du mich anlügst.« Ihm fiel etwas ein. » Beim Hohen Spiel darf man nicht lügen, hat Mora gesagt. Du hast die Regeln gebrochen, also bist du eigentlich des Todes.«
» Haha«, meinte Sion säuerlich. » Du hast gemogelt, ist das etwa besser?«
» Ich habe nicht gemogelt, ich habe mit meinen eigenen Waffen gekämpft!«
» Wenn du meinst. Hay Ran Birayik sieht das sicher anders. Wollen wir jetzt weiter? Mir macht es nichts aus, hier in finsteren Tunneln herumzukriechen, ich könnte mich jahrelang mit nichts anderem beschäftigen. Der Himmel kommt einem irgendwann sehr leer vor, wenn man immerzu fliegt und nie irgendwo zu Hause sein kann außer in einer Höhle oder einer Grube.«
» Also«, fragte er, » wenn du so gut siehst – ist da irgendwas, wo man hineinfallen könnte?«
» Nein.«
» Wieso überzeugt mich nicht, wie du das sagst?«
Sie lachte leise, nahm ihn bei der Hand und führte ihn weiter. Hin und wieder wies sie ihn darauf hin, dass er den Kopf einziehen sollte – meist einen Herzschlag zu spät.
» Aua.«
» Hier sind Stufen. Pass auf.«
» Was … tatsächlich. Sind wir schon so weit? Dann müssten wir bald unter dem Palast sein. Ich hoffe, die Drachen lassen ein paar Mauern stehen, in deren Schutz wir davonschleichen können.«
» Hm«, machte Sion, es klang nicht sehr überzeugt.
» Sie waren ganz schön wütend.«
» Hm.«
» Wir spähen ganz vorsichtig um die Ecke, wenn wir oben sind, ja?«
» Hm.«
Mehr bekam er nicht aus ihr heraus, aber sie wurde merklich langsamer, je höher sie hinaufstiegen.
» Was ist?«, fragte er schließlich. » Hast du Angst? Wir müssen nur irgendwie unbemerkt in die Stadt kommen. In Moras Haus.« Es war wie ein Schlag in die Magengrube, sich daran zu erinnern, dass Mora nie wieder nach Hause kommen würde. Zu ihnen allen, zu Agga und den Alten.
» Nein.« Sie lehnte an der Wand, ihr Atem ging unruhig. In der Finsternis war er blind, aber dass sie sich fürchtete, merkte er auch so. » Geh allein. Geh nach Hause. Sie dürfen mich nicht sehen.«
» Sie werden dich gar nicht erkennen.«
» Nein, wahrscheinlich nicht. Dein Mantel stinkt nach Mensch, vielleicht überdeckt er sogar meinen Geruch. Aber wenn mich trotzdem irgendein Drache erkennt, ein einziger? Niemals werden sie mir verzeihen, was ich heute getan habe. Wir könnten alle erlöst sein, wenn ich nicht eingegriffen hätte.«
Sie schwieg lange, und schließlich streckte er die Hand aus und berührte ihre Wange.
» Du weinst?«
» Gar nicht.«
» Nein, natürlich nicht. Komm. Ich bin ein mächtiger Zauberer, ich werde dich schon beschützen. Ich muss es sogar. Wir haben das Hohe Spiel gespielt. Kannst du dir vorstellen, dass ich wirklich dachte, es sei ein Spiel?«
» Du hättest die kleine alte Frau heilen können statt mich. Du hättest Chamijas Todesfluch aufheben können.«
» Ja, das hätte ich wohl. Aber ich bin für dich verantwortlich, nicht für sie. Ich hatte keine Wahl.«
» Nein«, widersprach sie leise. » Das Hohe Spiel schafft eine Bindung zwischen uns, aber es versklavt uns
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