Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
stockte der Atem, als sie sah, was es enthielt. Im hellen Licht des Morgens funkelte ein langes schwarzes Schwert, glänzend und durchscheinend wie aus Glas. Die flache Klinge war so scharf wie ein Rasiermesser und verjüngte sich leicht am unteren Ende. Um das Heft aber wand sich ein wunderschöner Drache. Weiß hob sich sein Kopf vom schwarzen Kristall ab, denn er war aus dem Edelstein, der Träne, gefertigt. Der Rachen des Tieres war weit aufgerissen, und mächtige Flügel spreizten sich zwischen Klinge und Griff und waren so fein gearbeitet, dass sich die Adern darauf abzeichneten, und so dünn, dass sie durchsichtig schienen.
Es war eine phantastische Waffe. Nihal scheute sich sogar, sie in die Hand zu nehmen. Livon hatte ja bereits viele schöne Stücke gefertigt, aber dieses hier war ein wahres Kunstwerk.
»Du hattest mich um ein Schwert gebeten. Hier ist es. Kein Spielzeug, sondern dein Schwert. Bei der Arbeit habe ich immer an dich gedacht. Es ist eine Waffe, die schützen und angreifen kann, eine echte Waffe für einen echten Krieger.«
Livon lächelte, und Nihal blickte ihn mit glänzenden Augen an.
»Komm, nimm es wenigstens mal in die Hand!«
Als Nihal es endlich anhob, war sie erstaunt, wie gut es sich ihrer Handfläche anpasste und wie leicht und handlich es war.
Livon lachte. »Glaub nicht, es sei aus Glas! Das ist schwarzer Kristall, das härteste Material, das ich kenne. Pass mal auf.«
Er nahm Nihal das Schwert aus der Hand und legte es auf seine Werkbank,- dann griff er zu einem Schmiedehammer und ließ ihn mit voller Wucht auf den Drachen niederfahren.
Nihal zuckte zusammen, sah jedoch im selben Moment, dass er noch nicht einmal einen Kratzer davongetragen hatte.
»Mit diesem Schwert kann du dich in deine Abenteuer stürzen.«
Nihal warf sich ihrem Vater an den Hals und umarmte ihn stürmisch. Dann machte sie sich los, nahm ihr neues Schwert zur Hand und hielt es vor sich. »Dies ist mein Schwert. Niemals werde ich mich von ihm trennen!«
»Dann kann ich ja jetzt beruhigt sterben.« Livon lachte, während Nihal nur dastand und lächelnd die funkelnde Klinge betrachtete.
Tatsächlich wurde das Schwert zu ihrem ständigen Begleiter: Kein Tag, an dem es nicht an ihrer Seite hing. Häufig nutzte sie es, um sich allein im Schwertkampf zu üben, denn sie hatte niemanden, mit dem sie die Klingen hätte kreuzen können. Sennar war zu beschäftigt mit seinen Studien, und wenn er sich mal auf ein Gefecht einließ, war er ihr bei weitem nicht gewachsen. Manchmal duellierte sie sich auch mit Livon, doch mittlerweile schlug sie auch ihn mit Leichtigkeit. Zudem hielt sie sich die meiste Zeit bei Soana auf.
Wenn ihr die Ausbildung Zeit dazu ließ, ging Nihal in den Bannwald und versuchte dort mit Phos' Hilfe, ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Schwert zu verfeinern: Der Kobold warf dann etwa Körner in die Luft, die das Mädchen im Flug zu treffen versuchte, oder sie hieb auf trockene Äste ein. Es war alles andere als ein perfektes Training, und auch kein großes Vergnügen, aber zumindest kam sie nicht aus der Übung und konnte ihre Geschicklichkeit und Schlagkraft verbessern. Sie erlegte es sich auf, sich mit diesen aus der Not geborenen Übungen zufrieden zu geben, hatte dabei aber ein quälendes Verlangen, das Schwert wirklich einzusetzen.
Die Gelegenheit dazu ließ auf sich warten, doch zum Schluss kam sie.
6. Der Ritter des Drachenordens
Zwei Jahre waren vergangen, seit Nihal sich zu Soana am Rand des Bannwaldes aufgemacht hatte, um sie zu bitten, als Schülerin aufgenommen zu werden. Zwei Ja hre des Lernens, des Wachsens, sich festigender Beziehungen. Vor allem zu Sennar, dem Freund, Ratgeber, Komplizen und bald auch Magier, mit allen Rechten und Pflichten. Die Aufnahmezeremonie würde vor dem Rat der Magier stattfinden und ganz besonders feierlich ausfallen, da Sennar beschlossen hatte, seine Studien fortzusetzen, um selbst einmal Mitglied im Rat zu werden.
Dieser Rat verlegte jährlich seinen Sitz, so dass abwechselnd jedes Land einmal die Ehre hatte, ihn zu beherbergen, und setzte sich zusammen aus den acht besten Zauberern — sowohl ihren magischen Fähigkeiten als auch ihrer Weisheit nach -der acht im Rat vertretenen Länder.
Dies war alles, was noch in der Aufgetauchten Welt von der Demokratie übrig geblieben war. Früher einmal hatte der Rat über das kulturelle und wissenschaftliche Leben bestimmt, doch seit fast vierzig Jahren organisierte und leitete er nun schon, mithilfe
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