Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Völkerschaften hasste und nur danach trachtete, sie zu unterjochen.
In letzter Zeit nun tauchten in Livons Schmiede immer häufiger unbekannte Männer auf, die sich unter Berufung auf eine angebliche Übereinkunft zwischen dem Tyrannen und König Darnel dreist, ohne zu bezahlen, mit Waffen versorgten. Der Schmied schien sie zu fürchten, und wenn er sie erblickte, hatte sich Nihal sofort zu verstecken. Machtlos musste sie dann aus sicherer Entfernung mit ansehen, wie diese Gestalten die Werkstatt auf den Kopf stellten und ihren Vater demütigten. In diesen Situationen kochte blinder Zorn in ihr hoch, und instinktiv wanderte ihre Hand zum Schwert. Sie besaß nun ein neues: Wie versprochen, hatte sie aus dem alten ein Miniaturschwert schmieden lassen, das Phos begeistert in Empfang genommen hatte.
Ihrem Vater hingegen hatte sie den Edelstein, die Träne, gegeben und ihn gebeten: »Kannst du mir ein Schwert schmieden, Vater, und diesen Stein ins Heft einsetzen?« Das ließ sich Livon nicht zweimal sagen. In ihrer Abwesenheit hatte er Zeit gehabt, sich über das Verhältnis zu seiner Tochter Gedanken zu machen. Es war nicht zu übersehen, dass Nihal kein Kind mehr war, und es war nicht recht, ihr die Flügel zu stutzen, nur weil er sie gerne um sich haben wollte. Früher hatte er sich im Umgang mit ihr ganz von seinem Instinkt leiten lassen, doch jetzt erinnerte er sich ganz deutlich, wie ihn selbst als jungen Mann der Durst nach Freiheit gequält und immer wieder veranlasst hatte, sich gegen seinen Vater aufzulehnen. Er begriff, dass es richtiger war, sie frei »fliegen« zu lassen und ihren Flug aus der Entfernung zu verfolgen, um ihr bei Schwierigkeiten beizuspringen und zu helfen, einen Absturz zu vermeiden. Er wollte Nihal beweisen, dass er gewillt war, sie ihren Weg finden zu lassen: Und ihr ein Schwert zu schmieden, schien ihm die beste Möglichkeit dazu.
Livon nahm sich für die Arbeit viel Zeit. Es sollte ein ganz außerordentliches Schwert werden, das Nihal immer begleiten und sie jederzeit an ihren Vater erinnern würde.
Der Zufall wollte es, dass ihm einer seiner Lieferanten, ein gerissener, äußerst geschäftstüchtiger Gnom, zu jener Zeit gerade einen großen Block schwarzen Kristalls verkauft hatte, das härteste Material in der Aufgetauchten Welt. Man fand es nur im Land der Felsen, und es war eben jenes, aus dem auch die Feste des Tyrannen erbaut war. Livon hatte es noch nie verwendet, wusste aber, wie es zu verarbeiten war. Zudem beflügelte ihn die Vorstellung, ein schwarzes Schwert zu schmieden. Jetzt galt es nur noch, sich einen Entwurf einfallen zu lassen.
Dabei dachte der Waffenschmied an Nihal, wie sie war, was sie liebte, und kam schließlich auf die Idee, etwas mit einem Drachen zu gestalten: Dieses Tier schien ihm das Wesen seiner Tochter mit Abstand am besten zu symbolisieren. Und außerdem schwärmte Nihal für Ritter, und die besten Ritter der Aufgetauchten Welt waren eben jene des Drachenordens.
Mehr und mehr nahm das Schwert in seinem Geist in allen Einzelheiten Gestalt an, bis er sich endlich daran machen konnte, es aus dem schwarzen Kristall herauszuarbeiten. Lange arbeitete er daran, vor allem nachts, damit es für Nihal eine Überraschung würde. Über den schwarzen Kristallblock gebeugt, brachte er schwitzend Stunde um Stunde mit dem Meißel zu. Mehr und mehr nutzte er jeden Augenblick, da Nihal nicht zuhause war, so dass bald seine übliche Arbeit darunter litt und sich einige Kunden schon zu beschweren begannen.
»Du beginnst wohl, dich aufs Altenteil zurückzuziehen«, zog Nihal ihn auf, um dann ernst hinzuzufügen: »Kann ich dir vielleicht zur Hand gehen, Vater?«
Livon schüttelte den Kopf und antwortete, ein sehr wichtiger Auftrag verlange seine ganze Aufmerksamkeit. Er konnte ihr ja nicht sagen, was ihn wirklich davon abhielt, sich um anderes zu kümmern.
Alle Waffenschmiede, alle Handwerker, alle Künstler warten auf einen Moment, wie er ihn gerade erlebte, da er das Schwert unter seinen Händen Gestalt annehmen sah. Das kristallene Schwert sollte sein Meisterwerk sein.
Eines Morgens endlich rief Livon Nihal zu sich. Sein Gesicht war gezeichnet von einer schlaflosen, durchgearbeiteten Nacht, und seine Schürze vollkommen verdreckt. »Was ist mir dir? Geht's dir gut?«, fragte Nihal besorgt.
»Ja, es ging mir noch nie besser. Dies ist einer der schönsten Augenblicke meines Lebens«, antwortete Livon und reichte ihr ein in Leder eingewickeltes Bündel. Nihal
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