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Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes

Titel: Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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Sie schloss die Augen und streckte, die Handflächen zum Himmel gerichtet, die Arme aus. »Für Luft und Wasser, für Meer und Sonne, für die Tage und Nächte, für Feuer und Erde, rufe ich dich an, du höchster Geist: Wärme die Seele meiner Schülerin durch die Zungen deines Feuers «
    Noch mächtiger loderte die Flamme auf. Soana öffnete die Augen und blickte Nihal an. »Und nun lege deine Hand ins Feuer.« Nihal glaubte, sich verhört zu haben. »Wie bitte?« »Ich sagte, lege deine Hand ins Feuer«, wiederholte Soana mit ernster Miene. Nihal wurde ganz anders. »Wie? Meine Hand, ins Feuer ...?« »Gehorche, Nihal.«
    Soanas Blick duldete keinen Widerspruch, doch Nihal zitterten die Beine, und ihre Arme waren wie gelähmt. Nun war es an ihr, die Augen zu schließen und inständig zu bitten, dass die Natur sie tatsächlich aufgenommen habe. Alles ist eins, und eins ist alles, die Flamme verbrennt mich nicht, denn sie ist ein Teil von mir, so wie ich ein Teil bin von ihr, hämmerte sie sich ein, während sie die Hand ausstreckte. Als sie die Wärme spürte, begann sie der Mut zu verlassen. Ihr Mund war wie ausgetrocknet, und ihr Herz pochte wie von Sinnen. Alles ist eins, und eins ist alles. Alles ist eins, und eins ist alles... Jetzt oder nie! Nihal hielt die Luft an, unterdrückte die Tränen und tauchte die Hand ins Feuer. Kein Schmerz. Noch nicht einmal die Wärme, die sie zuvor gespürt hatte. Als sie den Mut fand, die Augen zu öffnen, bot sich ihr ein phantastisches Bild: Ihre Hand inmitten von Feuerzungen, die sie wie ein Handschuh umschlossen. Dann klatschte Soana einmal in die Hände, das Feuer verschwand, die Flamme erlosch, und alles war wieder wie zuvor.
    Fassungslos betrachtete Nihal ihre Hand: Sie war rosafarben und unversehrt. »Ein Wunder ...«, murmelte sie, als spreche sie zu sich selbst.
    »Nein, Nihal. Das ist ein magisches Feuer. Hättest du mich angelogen, wäre deine Hand jetzt Asche.«
    Soana legte ihre einen Arm um die Schultern. »Das war wirklich sehr gut, meine Schülerin.«
    Nihal wusste, sie hatte es geschafft.
    So begann ihre Ausbildung, eine anstrengende, aber auch faszinierende Zeit, in der sie die Magie mehr und mehr schätzen lernte. Mit jedem neuen Zauber fühlte sie sich stärker noch als Teil jenes Lebens, das sie auf der Lichtung kennen gelernt hatte, jenes Lebens, das in allem Dasein pulsiert.
    Gewiss, die langen Meditationen konnten langweilig sein, und die unzähligen Vorbereitungsübungen, die zum Erlernen eines neuen Zaubers unerlässlich waren, stellten ihre Geduld auf eine harte Probe. Doch gleichzeitig begeisterte es sie, diese Anstrengungen zu meistern, denn dabei überkam ihren Geist eine Ruhe, die sie früher nicht gekannt hatte. Dennoch wurde bald schon klar, dass die Magie nicht ihr Lebensinhalt sein konnte. Nihal lernte ohne allzu große Mühe, doch fehlte ihr jenes Übermaß an magischer Kraft, das nur großen Zauberern eigen ist und bei Sennar hingegen klar zutage trat. Seit jener Nacht, als er ihr beigestanden hatte, hatte sich ihr Verhältnis merklich gebessert. Eine Zeitlang hatte sich Nihal zwar noch abweisend gegeben und ihm dann und wann auch einmal böse funkelnde Blicke zugeworfen, aber lange ließ sich diese Abwehr nicht aufrechterhalten. Langsam, fast unmerklich, kam es so weit, dass sie ihn als ihren besten Freund betrachtete.
    Sie waren fast ständig zusammen, so dass Nihal irgendwann auch den Kontakt zu ihrer Bande in Salazar ganz aufgab: In diesem Jungen mit dem roten Haar hatte sie den Freund gefunden, den sie immer vermisst hatte.
    Neben der Ausbildung bei Soana verband sie die Tatsache, dass sie sich beide als Außenseiter fühlten: Er war ein Zauberer, und Zauberer standen unter dem Tyrannen in denkbar schlechtem Ansehen,- sie hingegen war eine Kriegerin, während man doch allgemein der Ansicht war, die Aufgabe eines Weibes sei es, das Haus zu hüten, die Kinder großzuziehen und für den Ehemann da zu sein. Sie fühlten sich als Rebellen, lebten, wie es ihnen entsprach, und malten sich ihre zukünftigen Heldentaten aus. Denn für Nihal stand fest: Sie würde sich einmal dem Heer anschließen, das gegen den Tyrannen kämpfte.
    Soana und Sennar sprachen häufig über den Tyrannen: dass dieser mit Gewalt die Throne der Länder in der Aufgetauchten Welt an sich riss und dort Regenten einsetzte, die ihre Herrschaft auf Terror stützten,- dass in den Reichen, die er eroberte, Verfall und Verarmung Einzug hielten,- und dass er alle

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