Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Frage nicht auszusprechen.
Nihal war verwirrt und überlegte, was die Königin wohl hatte sagen wollen und weshalb sie den Blick nicht von ihr wandte. Sie spielte bereits mit dem Gedanken, Soana darauf anzusprechen, doch da löste sich die Gruppe auf, und ein jeder nahm seinen Platz an der langen gedeckten Tafel in der Mitte des Saales ein. Mit immer noch nachdenklicher Miene folgte Nihal den anderen, bis der Anblick der festlich geschmückten Tafel jeden anderen Gedanken hinwegfegte. Es war nur noch ein Platz frei geblieben, und dieser Platz war der neben Fen.
Nihal spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Ihr Herz begann heftig zu pochen, und einen Augenblick lang fürchtete sie, ihr Herzschlag sei sogar von den anderen zu hören. Um Fassung ringend, näherte sie sich ihrem Platz, doch kaum hatte sie ihren Stuhl ein wenig verrückt, um sich zu setzen, als sie Fens strahlendes Lächeln traf.
Verdammte Ohren, dachte Nihal, denn sie fühlte, wie sie glühten. Und verfluchte Knie. Was zittern die denn so?
Sennar, der ihr gleich gegenüber saß, zwinkerte ihr, sie freundschaftlich neckend, zu. Rechts von Fen hatte Soana Platz genommen. Das ganze Mahl über unterhielt sie sich mit Astrea und Galla über den Krieg und den Tyrannen. Nur gelegentlich wandte sie dem Ritter den Blick zu, und dennoch war dieser ihr gegenüber die Zuvorkommenheit in Person. Er füllte ihr den Becher, lächelte sie immer wieder an oder streifte ihr Knie unter der Tischdecke.
Nihal bemühte sich, Ruhe zu bewahren. Sie starrte in ihren Teller und schaufelte ihn so hastig leer, dass sie vom Geschmack der Speisen überhaupt nichts mitbekam. Sie beteiligte sich auch nicht am Gespräch. Was sie wahrnahm, war allein die Gegenwart des Ritters neben ihr. Nicht anders hätte sie sich gefühlt, hätte sie neben einem Feuer gesessen. Und dann sein Geruch, keine bestimmte Duftnote, nur der Geruch seiner Haut. Ja, wie neben einem Feuer, mit gesenktem Haupt.
Trotz aller Bemühungen gelang es Nihal nicht, das ganze Mahl über Fens Blick auszuweichen.
»Nun, willst du mir nicht dein Geheimnis preisgeben?«
Viel zu hastig schluckte Nihal den Bissen, den sie im Mund hatte, hinunter, goss mit reichlich Wasser nach und wandte sich dann mit der Miene eines Lämmleins, das dem Wolf entgegentritt, dem Ritter zu.
»Was ... was denn für ein Geheimnis?«
»Nun, das deines Schwertes natürlich. Wo fertigt man bloß Waffen von solch erlesener Schönheit?«
»Wo man die fertigt?«
Fen lachte auf. »Hör mal, antwortest du immer auf jede Frage mit einer Gegenfrage?« »Ja. Das heißt, nein. Nicht immer. Zuweilen.«
»Ich verstehe. Du willst mir den Namen deines Waffenschmieds nicht preisgeben. Aber du hast Recht. Jedem Krieger sein Geheimnis.«
Nihal stotterte etwas von »gewiss, genau ...«, bis Soanas fürsorgliche Stimme diese mühevolle Konversation unterbrach.
»Hör mal, Nihal. Ich glaube, du könntest Sennar heute Abend von Nutzen sein. Er wird sich ganz in seine Meditation zurückziehen, um sich auf die morgige Prüfung vorzubereiten, und könnte einen Menschen an seiner Seite gebrauchen, dem die Magie nicht völlig fremd ist. Ich habe dabei an dich gedacht. Was hältst du davon?« Für Nihal konnte dieses qualvolle Mahl gar nicht früh genug zu Ende gehen. »Aber gewiss. Mit Vergnügen«, antwortete sie.
»Das heißt, wir werden uns sputen müssen mit unserem Zweikampf am Nachmittag«, warf Fen ein. Und erneut erreichte eine Hitzewallung Nihals Ohren.
Nach dem Essen verabschiedeten sich Astrea und Galla, und die Gäste zogen sich zurück. Auf dem Weg durch den langen Flur zu ihren Kammern begann Sennar, Nihal wieder ein wenig zu sticheln.
»Nun?«
»Was, nun?«
»Nun, bist du bereit für ein längeres Erholungsschläfchen?« »Ja. Was soll die Frage?« »Ach, ich meine ja nur. Heute Nacht werden wir ja viele Stunden wachen, und da wäre es ratsam, dass wir jetzt ein wenig zur Ruhe kommen. Nun befürchte ich aber, dass du bei den vielen Gedanken, die dich bedrängen ...«
Nihal reagierte verstimmt. »Was denkst du nur, ich werde so friedlich schlafen wie ein Lamm. Ich wüsste nicht, worüber ich mir den Kopf zerbrechen sollte.« Sennar lächelte. »Umso besser. Und wenn du mich brauchst, weißt du, wo du mich finden kannst.«
Nihal öffnete die Tür zu ihrer Kammer und schlug sie ihrem Freund vor der Nase zu. Hätte Nihal an diesem Nachmittag bei Sennar angeklopft, wäre das nichts Neues gewesen. Mehr als einmal bereits hatte sie, in den langen
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