Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
geschlossen, bis sie den Schlag hörte, den Fen auf sie niedergehen ließ. Erst damit war sie bereit, wirklich anzufangen. Im letzten Moment wich sie mit einer seitlichen Bewegung aus und begann sich vertraut zu machen mit dem Raum, in dem sie sich bewegte. Sie parierte nicht, sie griff nicht an. Sie beschränkte sich darauf, jedem Hieb Fens geschickt auszuweichen.
Erneut schloss sie die Augen und lauschte auf seine Schritte. Bald erkannte sie einen festen Rhythmus und damit seinen typischen Bewegungsablauf. Dann begann sie anzugreifen.
Fens Schwachpunkt war seine Berechenbarkeit: Seine Technik war makellos, aber eben deswegen auch vorhersehbar. In kürzester Zeit war Nihal in der Lage, seinen Bewegungen zuvorzukommen. Dann wurde sie schneller. Sie parierte jeden Schlag. Und mit weit ausholenden Hieben von oben herab setzte sie Fen zu und zwang ihn zurückzuweichen. Mit einigen wenigen Täuschungen gelang es ihr, ganz nahe an ihn heranzukommen, so dass er sein Schwert anheben musste. Das war der Moment, auf den sie gewartet hatte. Sie ging tiefer in die Knie und setzte ihre Hiebe von unten an. Doch so naiv, wie sie gehofft hatte, war der Ritter nun doch nicht. Nihal hatte gar nicht bemerkt, dass er eine Weile schon sein Schwert mit einer Hand hielt. So hatte er die andere frei, und damit packte er unversehens ihren Arm und drehte ihr das Handgelenk um: Sie war entwaffnet.
Einige Augenblicke verharrten sie keuchend in dieser Stellung. Mit einem Male wurde sie sich bewusst, dass sie nur einen Hauch von Fens Lippen entfernt war. Sie errötete, machte sich los und ging mit einem Sprung wieder auf sichere Distanz. Fen wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Da hatte Soana also doch Recht!« Nihal verkniff sich ein stolzes Lächeln. Es war herrlich, mit diesem Mann zu kämpfen. Und er war auch alles andere als berechenbar. Nein, er besaß nur die Fähigkeit, kühlen Kopf zu bewahren, und war gleichzeitig beherzt genug, alles für den Sieg zu tun. »Noch eine Runde?«, fragte Fen.
Nihal hatte ihre Furcht überwunden. »Nichts lieber als das.«
Den ganzen Nachmittag fochten sie miteinander. Nihal fühlte sich frei und glücklich: Sie dachte an nichts, aber ihr Körper bewegte sich ganz automatisch, reagierte geschmeidig, mit präzisen Bewegungen. Sie war berauscht, und im Eifer des Gefechts merkte sie gar nicht, dass Sennar den Raum betreten hatte und ihnen von einer Ecke aus zusah. Als sie endlich genug hatten, setzten sie sich erschöpft auf den Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt, während ihnen der Schweiß übers Gesicht lief. »Mit wem trainierst du sonst?«, wollte Fen wissen.
»Mit niemandem.«
»Was soll das heißen, ›mit niemandem‹?« »Nun, weißt du ... mit dem Schwert ist Sennar die reinste Niete ...«
»Dann hör mal zu, Nihal. Ich will dir einen Vorschlag machen. Du verfügst über ein außergewöhnliches natürliches Talent, das keinesfalls brachliegen sollte. Soana kommt mich häufig besuchen. Ich würde mich freuen, wenn du sie mal begleitest, um bei mir zu lernen.« Nihal glaubte, ihr Herz bliebe stehen.
Sie stellte sich vor, wie sie unzählige solcher Nachmittage wie diesen heute mit Fen verbrachte, und vielleicht auch noch weitere, an denen sie sich lange miteinander unterhielten. Trotz der überschäumenden Freude versuchte sie aber, ihre Gefühle zu verbergen, und setzte eine abgeklärte Miene auf. »Ja, schon ..., also mir wäre das recht.« Fen lachte herzhaft. Dann reichte er ihr die Hand und half ihr auf.
So begann Nihals Laufbahn als Kriegerin.
Sie konnte es gar nicht erwarten, Sennar alles zu erzählen, und war überrascht, dass er schon vor ihr stand, als sie aus dem Saal kam. Er wirkte verärgert.
»Sennar, du kannst dir gar nicht vorstellen, was mir gerade ...«
Er ließ sie nicht ausreden. »Doch, ich weiß. Und erlaube mir, dir zu sagen, dass du dir da einen furchtbaren Schlamassel einbrockst.«
»Was redest du denn da?«
»Ach, Nihal, mach mir doch nichts vor ... Ich weiß doch, was du dir für Hoffnungen machst in Bezug auf Fen ...«
»O nein. Das schon wieder. Was hast du denn da für eine fixe Idee?«
»Nein, warte, wenn hier jemand eine fixe Idee hat, dann bist du das.«
Das Mädchen schnaubte. »Und wenn es so wäre?« »Nihal ...«
»Du beklagst doch immer, dass ich mich wie ein Junge benehme. Nun gut, wenn ich mich jetzt vielleicht ein wenig verguckt habe, bedeutet das doch nur, dass ich mir meiner Pflichten als braves Fräulein immer noch bewusst bin
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