Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
auf, selbst einmal einen Drachen zu reiten - vielleicht sogar ihren eigenen. Seit jenem Tag hielt sie Abstand zu Gaart, bewunderte ihn aber auf die Entfernung weiter und träumte davon, auf seinem Rücken durch die Lüfte zu fliegen. »Warum zieht es dich zu diesem Mann? Was hat er so Besonderes? Reiche ich dir nicht mehr?«
Livon hatte auf die Kunde von Nihals Übungsstunden mit dem Ritter missmutig reagiert, und er kam auch nicht besser damit zurecht, wenn er sich sagte, dass er selbst es ihr ja freigestellt hatte, ihren eigenen Weg zu finden.
Wenn Nihal sich einige Tage in Salazar aufhielt, hatte der Waffenschmied den Eindruck, es sei nun wieder alles so, wie es immer war: Dann war seine Nihal wieder das kleine Mädchen, das, schwarz von Ruß und Staub, in der Schmiede neben ihm stand und ihm die Werkzeuge anreichte.
Kehrte seine Tochter dann aber zu Soana zurück, war ihm ganz weh ums Herz. Er vermisste das Mädchen, das er großgezogen hatte, und wünschte sich, die Frau, zu der Nihal jetzt wurde, könnte für immer bei ihm bleiben.
Ein Jahr nach Sennars Aufnahmezeremonie verlief der Alltag im Land des Windes weiter in ruhigen Bahnen. Die Händler boten ihre Waren feil, die Wirte schenkten ihren Wein aus, und die Kinder aller Völkerschaften tobten wie immer hinauf und hinunter durch die Turmstädte.
Einige Vorzeichen jedoch hätten die Bevölkerung nachdenklich machen können. König Darnel tat alles, um sich die Gunst des Tyrannen zu erhalten: Die Abgaben, die diesem zu entrichten waren, stiegen ins Unermessliche, ein Großteil der Ernten wanderte direkt in seine Getreidespeicher, und viele Felder lagen brach, weil der Tyrann nach kräftigen Männern verlangte, um seine Reihen im nicht enden wollenden Krieg gegen die freien Länder immer wieder mit frischem Blut aufzufüllen.
Während ihrer gemeinsamen Reisen mit Sennar fiel Nihal auf, dass das Volk immer mehr verarmte. Und dennoch waren die Menschen im Land des Windes überzeugt, der so servile König Darnel könne noch eine Weile für ihre Sicherheit garantieren, und sie weigerten sich, der Gefahr ins Auge zu blicken.
Bis sich eines Tages etwas zutrug, was alle beunruhigte.
Ein alter Bauer tauchte in Salazar auf und streifte mit irrer Miene, in Lumpen gehüllt, durch die Stadt und verkündete schreiend und unter Tränen, die Fammin hätten sein Dorf überfallen und geplündert, alle jungen Frauen geraubt und jeden Mann niedergemacht, der es wagte, sich ihnen dabei in den Weg zu stellen.
Als jemand versuchte, Genaueres zu erfahren, hatte der Alte nur in einem fort gejammert: »Lada, mein arme Lada ...«, so als verstehe er gar nicht, was man ihn da fragte.
Die meisten hielten ihn für übergeschnappt und schenkten ihm bald keine Beachtung mehr, doch Sennar und Nihal eilten los, um Soana zu benachrichtigen. Die Zauberin überlegte nicht lange und fasste den Entschluss, sich zur Grenze aufzumachen, um sich dort mit eigenen Augen von der Gefährlichkeit der Lage zu überzeugen.
Zum ersten Mal, seit sich ihre Wege gekreuzt hatten, würde sie sich nun ohne Nihal auf den Weg machen.
»Es ist wichtig, dass jemand in der Stadt zurückbleibt, der im Notfall mit einer Waffe umgehen kann. Also vergiss nicht, Nihal«, sagte sie lächelnd, »das Schicksal Salazars liegt auch ein wenig in deiner Hand.«
Da sich Soana von Fen begleiten ließ, blieb Nihal gleichzeitig traurig und froh zurück: Die Vorstellung einer gemeinsamen Reise der Zauberin mit dem Ritter ihres Herzens behagte ihr zwar keineswegs, doch zur Schutzherrin der Stadt ausgerufen worden zu sein erfüllte sie mit großem Stolz.
Am Tag nach Soanas Abreise traf sie sich, wie so oft, mit Sennar oben auf der Terrasse von Salazar.
Sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, wenn es sich ergab, dort abends zusammenzukommen, um sich von den Mühen des Tages auszuruhen und den Sonnenuntergang über der Steppe zu genießen. Dann saßen sie da und beobachteten, wie sich die gelbe Scheibe der Sonne langsam rötlich färbte und auch den Himmel in jenen blutigen Farbton tauchte, um schließlich in der schon dunklen Weite der Ebene zu versinken.
Dabei unterhielten sie sich über dies und das, tauschten ihre Ansichten und Erlebnisse aus und besprachen, was sich gerade ergab.
An diesem Abend jedoch schien Nihal anderer Stimmung als gewöhnlich. Sie war auffallend ernst und blickte immer wieder verstohlen zu Sennar hinüber. Als der Zauberer es bemerkte, verdrehte er die Augen.
»Ja, ich weiß, Nihal, sie sind
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