Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
ihre Sinne waren auf den Angriff ausgerichtet. Sie legte die Hand ans Schwert und schickte sich an, sich auf den ersten Fammin zu stürzen, doch Livon ergriff ihren Arm und schleuderte sie herum.
Sie ging zu Boden und schlug mit dem Kopf auf. Einen Augenblick lang glaubte sie, das Bewusstsein zu verlieren, und ihr wurde schwarz vor Augen. Im Hintergrund hörte sie, wie Klingen gegeneinander schlugen. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass Livon versuchte, die beiden Ungeheuer in Schach zu halten. Sie sprang auf und stürzte zu ihm.
Doch Livon stieß sie zurück. »Flieh, Nihal! Flieh!«
Es war nur ein Augenblick. Ein Wimpernschlag. Doch er reichte einem der Fammin, um Livon mit einem Stoß zu durchbohren, so dass die Klingenspitze am Rücken wieder heraustrat.
Nihal sah, wie der Körper ihres Vater wie ein leerer Sack in sich zusammenfiel. Sie sah das Blut, das über den Boden rann.
Sie sah, wie der Dämon das Schwert aus Livons Körper riss.
Sie fühlte nichts, beobachtete nur mit weit aufgerissenen Augen und gelähmten Gliedern die Szene.
Dann überkam sie die Verzweiflung, und gleich darauf ein unbändiger Zorn, wie sie ihn noch nie gespürt hatte. Mit einem unmenschlichen Schrei warf sie sich auf den Mörder ihres Vaters. Ein Hieb, und sie hatte ihm sauber den Kopf abgeschlagen. Einen Moment lang stand der andere Fammin wie versteinert da, besann sich aber rasch und schlug mit der Streitaxt nach ihr. Sie spürte den Luftzug, wich aus und sprang hinter die Werkbank in Deckung, doch schon kam der Fammin knurrend und seine Waffe schwingend auf sie zu. Ein weiterer Schlag, und die Holzplatte zersplitterte in tausend Stücke.
Jetzt stand das Ungeheuer über sie gebeugt da, doch Nihal war geistesgegenwärtig genug, zum Schmiedehammer zu greifen, den sie unzählige Male in Livons Hand gesehen hatte. Sie duckte sich ab und ließ ihn dann mit aller Kraft gegen die Knie des Ungeheuers krachen, das zu Boden stürzte. Sofort war sie über ihm und drosch mit aller Gewalt darauf ein, bis es tot war. Erst jetzt bemerkte sie das seltsame Gefühl an ihrer linken Körperseite: eine metallische Kälte und eine feuchte Wärme, die sich den Schenkel entlangzog. Sie blickte an sich hinunter. Da klaffte eine tiefe Wunde, aus der das Blut strömte. Sie blickte zu Livon hinüber: Die Augen geschlossen, lag er auf dem Boden, als schlafe er.
Sich neben ihn legen. Die Augen schließen. Sich ausruhen. Dieser Gedanke nahm schon in ihrem verwirrten Geist Gestalt an, als sie ein hoher, herzzerreißender Schrei von der Straße her in die Wirklichkeit zurückholte: Sie musste fort, sie musste sich in Sicherheit bringen.
Denk nach, Nihal. Atme tief durch und denk nach. Ein Fluchtweg. Alles, was du jetzt brauchst, ist ein Fluchtweg.
Der Gang. Sie war noch ein kleines Mädchen, als sie ihn im Spiel entdeckt hatte. Er führte direkt hinter der Werkstatt entlang und wurde in früheren Zeiten für die Instandhaltung der Stadtmauer genutzt: ein düsterer, stickiger Stollen, der sich rings durch den Wall zog.
Sie nahm sich den größten Hammer, den sie in der Werkstatt fand. Er war so schwer, dass sie ihn kaum anheben konnte, aber als sie ihn mit aller Kraft gegen die hintere Wand schleuderte, gab diese leicht nach. Und tatsächlich: Der Gang existierte noch. Sie zwängte sich hinein und begann, so schnell es ihr möglich war, die Stufen hinunterzusteigen.
Es war finster. Nihals Blick war verschleiert, und ihr Herz raste. In Strömen rann immer noch das Blut ihr Bein hinunter, und jeder Schritt bedeutete eine enorme Anstrengung für sie. Durch die Wand hörte sie die Rufe der Soldaten, die gequälten Schreie der Frauen, das Weinen von Kindern, dumpfe Schläge, das Klirren von Streitäxten. Bald schon wurden die Stufen immer holpriger. Und der Schmerz in ihrer Seite verstärkte sich und war kaum noch zu ertragen. Nihal begann zu weinen. Die Tränen flössen, ohne dass sie etwas hätte dagegen tun können. Die Treppe wand sich mal nach links, mal nach rechts, und je tiefer sie kam, desto wärmer wurde es.
Sie wusste schon lange nicht mehr, wo sie sich befand: Manchmal führten die Stufen wieder ein Stück hinauf, dann verlief der Weg eben weiter, um irgendwann wieder abzufallen. Sie bekam kaum Luft und meinte, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Die Versuchung, sich einfach hinzulegen und alles geschehen zu lassen, war stark. Bei jedem Schritt dachte sie, der nächste würde der letzte sein. Und doch schleppte sie sich
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