Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
gewöhnliches Gewand, das ist meine zweite Haut. Und ich bin doch keine Schlange, die ihre alte Haut ablegt!« Also beschwor man ihn, sich zumindest das Haar zu binden und den Bart zu stutzen, damit er nicht wie ein Schiffbrüchiger aussah, doch er lachte nur: Gegen sinnlose Konventionen zu verstoßen machte ihm einfach Spaß.
Zur Begrüßung zwinkerte er Nihal zu und ließ dann eine absurd pompöse Zeremonie über sich ergehen.
Den Reigen eröffnete einer der Höflinge, den man zu diesem Anlass zum Kammerherrn ernannt hatte und der mit einer langen, hohlen Rede die Bedeutung dieses Ereignisses herausstellte.
Dann waren die Ratsmitglieder an der Reihe: Nacheinander erhoben sie sich, um ein Loblied auf Sennar anzustimmen und alle Beweggründe aufzulisten, die sie dazu veranlasst hatten, ihn dieses hohen Amtes für würdig zu befinden.
Beim dritten Ratsmitglied begannen die ersten Gäste bereits vor Langeweile zu gähnen. Es schien kein Ende nehmen zu wollen: Reden, Katzbuckeleien, weitere Ansprachen, Hochachtungsbezeugungen, und wieder eine neue Rede.
Gelangweilt schaute Nihal sich um und musterte die Anwesenden.
Ihre besondere Aufmerksamkeit erregte dabei ein junges Mädchen, das wohl noch ein paar Jahre jünger sein mochte als sie selbst und wie ein Kind in Frauenkleidern aussah: Sie war wunderschön, ernst, würdevoll. Da sie auf einer Art Thron saß, dachte sich Nihal, sie müsse wohl die Tochter des Königs sein, den sie allerdings nirgendwo erblicken konnte.
Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sich das Mädchen auf dem Höhepunkt der Zeremonie erhob, auf Sennar zuschritt und mit einem Medaillon in Händen vor ihm stehen blieb.
»Ich, Sulana, Regentin des Landes der Sonne, zeichne dich hiermit aus als Diener der Freiheit und des Friedens in der Aufgetauchten Welt, damit du von heute an niemals vergisst, wem dein Einsatz gelten soll«, sprach sie.
Es folgte Applaus, und Sennar kniete nieder und küsste die Hand der Regentin, die daraufhin graziösen, gemessenen Schritts zu ihrem Thron zurückkehrte. So war also ein Mädchen die Herrscherin dieses Landes.
Nihal war fassungslos.
Ihr Tischnachbar, eine Art gepuderter Pfau, bemerkte das Staunen in ihrem Gesicht. »Überrascht vom Alter der Königin?«
»In der Tat ..., ich dachte immer, hier gäbe es einen König, oder etwas in der Art ...«
Der Höfling seufzte und setzte eine pathetische Miene auf. »Ja, wir hatten einen König, aber der ist in der Schlacht gefallen. Ach, was für ein edler Herrscher. Wehrhaft, aber auf Frieden bedacht, stark, aber auch diplomatisch ... Ach, ein großer Verlust!« Dieser Mensch hatte eine unangenehm gespreizte Art, aber Nihal war neugierig geworden und fragte weiter.
»Gab es denn niemanden sonst, der die Regentschaft hätte übernehmen können?« »O doch, gewiss. Für einige Zeit übte der Bruder des Königs die Macht aus, doch als Sulana dann vierzehn war, erklärte sie vor allen Würdenträgern des Hofes, die sich zur Audienz beim König versammelt hatten, nun selbst den Thron besteigen zu wollen. Der Onkel bemühte sich, sie davon abzubringen, doch sie ließ sich nicht umstimmen: Im Gegenteil warf sie ihm sogar vor, das Volk auszuhungern und am Krieg zu verdienen.« »Und entsprach das der Wahrheit?«
Der Höfling beugte sich vor und begann zu flüstern, so als gebe er ihr ein Geheimnis preis: »Offen gestanden, ja.«
Dann verfiel er wieder in sein affektiertes Gehabe. »Die Königin erklärte, sie fühle sich zur Herrschaft bereit. Ihr Vater sei ihr im Traum erschienen und habe sie aufgefordert, zum Wohle des Landes der Sonne die Macht zu übernehmen. Und in der Tat lässt sich nicht leugnen, die Königin regiert auf vorbildliche Weise.«
Nihal war voller Bewunderung: ein so junges Mädchen, das weise und reif genug war, um über ein ganz Land zu herrschen!
»Und Ihr? Ihr scheint ein Krieger zu sein. Zudem von einer unbekannten Rasse ...« »Ja, ja, aber das ist ein lange Geschichte. Doch nun bitte ich Euch, mich zu entschuldigen, ich werde erwartet ...«
Schnell wie der Blitz hatte sich Nihal verdrückt. Sie trat auf Sennar, das frischgebackene Ratsmitglied, zu und umarmte ihn lächelnd.
»Meinen Glückwunsch, du großer Zauberer. Nun ist dein Traum endlich Wirklichkeit geworden!«
»Ja, schon. Auch wenn nichts wirklich so ist wie im Traum.« »Was willst du damit sagen?«
»Nun, der Rat ist doch ganz anders, als ich gedacht hätte. Auch dort gibt es Leute, denen es nur um ihre Macht und ihre eigenen
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