Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
dem Karren noch ein wenig von ihrer Verpflegung hinunter, doch einer der Offiziere fuhr sie sogleich barsch an. »Lasst das! Bis zu unserem Lager werdet ihr noch von Tausenden bestürmt werden. Darum dürft ihr euch nicht kümmern. Wer hier ein weiches Herz hat, hat seinen Beruf verfehlt.«
Bis dahin hatten sie nachts auf ihrem am Wegesrand abgestellten Planwagen geschlafen. Doch hier im Kriegsgebiet fuhren sie solange, bis sie ein Lager erreichten, von dem sie dann im ersten Licht des Tages gleich wieder aufbrachen. Es war eine zermürbende, entsetzliche Reise.
Zu Beginn hatten die angehenden Ritter sie noch als eine Art Ausflug betrachtet: Sie hatten sich gut gelaunt unterhalten und über die bevorstehende Prüfung geredet, so als handele es sich nicht um eine Sache auf Leben und Tod, sondern um ein Spiel. Aber da sie nun das Grauen des Krieges sahen, war allen der Mut zu scherzen vergangen.
Einige blickten gar nicht mehr hinaus.
Andere versuchten, sich durch belangloses Geplauder abzulenken.
Nur Nihal mochte den Blick nicht abwenden von diesem Bild der Zerstörung. Fülle deine Augen mit diesem Grauen, sagte sie sich, und denke immer daran, wenn du in der Schlacht bist.
Eines Abends bei Sonnenuntergang erreichten sie ihr Lager in der Therorn-Ebene. Der Anblick war nicht eben erbaulich: Die heruntergekommen wirkenden Zelte standen in der Nähe einer zerstörten Turmstadt, und es gab schon recht viele Verletzte. Sennar war nicht da: Nihal fragte nach ihm und erfuhr, dass er sich im Hauptlager aufhielt, das noch ein gutes Stück entfernt war. Dafür standen aber die Trupps unter Fens Kommando ganz in der Nähe, und mit diesen gemeinsam sollte der Angriff am nächsten Tag unternommen werden. Als sie das hörte, begann ihr Herz heftiger zu schlagen, aber sie hatte keine Zeit, sich länger darüber Gedanken zu machen: Sie und die fünf anderen aus ihrer Gruppe wurden sogleich ins Zelt des Generals geführt, der für diesen Frontabschnitt verantwortlich war.
Der General war ein rauer Mensch, der es offenbar darauf anlegte, ihre Angst noch weiter zu schüren: »Das ist kein Spiel hier«, sagte er. »Die Dinge, die man euch in der Akademie gelehrt hat, sind bloß Torheiten für Stutzer. Der Krieg ist etwas ganz anderes: Da ist kein Platz für Höflichkeiten, und auch eure Lehrbücher für den Schwertkampf könnt ihr hier vergessen. Seid ihr im Getümmel, zählt nur noch der Befehl eures Vorgesetzten und wie viele Feinde ihr niedermacht. Und denkt bloß nicht, wir würden hier eure Ammen spielen. Eure oberste Pflicht ist Gehorsam. Missachtet ihr einen Befehl und geratet dadurch in die Klemme, müsst ihr selbst sehen, wie ihr da wieder rauskommt. Und verlasst euch nicht zu sehr auf den Veteranen, der euch beobachtet: Im Gefecht seid ihr für euch selbst verantwortlich. Was nun die morgige Schlacht betrifft, wird es darum gehen, eine Befestigung zu stürmen, die wir schon eine Weile belagern. Die Wasser- und Nahrungsvorräte der Eingeschlossenen gehen zur Neige, es ist also der richtige Zeitpunkt, um loszuschlagen. Eine Stunde vor dem Morgengrauen greifen wir an. Zunächst sorgen die Bogenschützen für ein wenig Verwirrung, und gleich darauf greifen die Drachenritter aus der Luft an, und die erste Linie der Fußsoldaten stürmt die Mauern. Ihr gehört zur zweiten Linie: Ist der Durchbruch gelungen, habt ihr nichts weiter zu tun, als mit den anderen in die Burg einzudringen. Die Einzelheiten erfahrt ihr kurz vor dem Angriff. Wecken ist zur dritten Stunde nach Mitternacht. Ich rate euch also, vorher noch mal richtig zu schlafen. In zwei Stunden ist Essenfassen. Zuvor seht ihr noch euren Prüfer, dann könnt ihr euch die Zeitvertreiben, wie ihr wollt. Ich rate euch aber dringend davon ab, das Lager zu verlassen. Und ich möchte auch nicht sehen, dass ihr hier überall herumschnüffelt.«
Der General schlug die Hacken zusammen und ließ sie sprachlos und entmutigt im Zelt zurück. Laio war den Tränen nahe.
»Es wird schon«, flüsterte ihm Nihal zu.
Der Veteran war noch jung genug, um die Gefühle eines Schülers der Akademie vor seiner ersten Schlacht nicht ganz vergessen zu haben.
Er erläuterte noch einmal den Schlachtplan und erklärte ihnen, sie sollten sich mit allem an ihn wenden, denn er sei für ihr Überleben verantwortlich. Dann zeigte er ihnen die Waffen und Rüstungen, mit denen sie kämpfen würden, und verabschiedete sie schließlich alle, bis auf Nihal.
»Du bist eine Halbelfe?«
Nihal
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