Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
wenn ich nach Makrat kam, hoffte ich, Zeit für einen Besuch bei dir zu finden. Doch der Rat, die Versammlungen, die anderen Zauberer ... und vor allem der Krieg ließen mich einfach nicht los ..., das Einzige, was meine Augen noch sahen, war der Tod.«
Nihal hörte ihm schweigend zu. In Sennars Gegenwart fühlte sie sich wie vier Jahre zuvor, damals im Wald. Sie war nicht mehr allein. Die traurigen Gedanken, die sie die ganze Zeit über belastet hatten, schienen wie weggeblasen. Sie erzählte ihm von den eintönigen Tagen in der Akademie, von Ravens Hass gegen sie, von der Freundschaft zu Parsel, von den neuen Waffen, mit denen sie zu kämpfen gelernt hatte. Doch vor allem erzählte sie von den Träumen, die sie weiterhin quälten. »Verstehst du, Sennar? Es sind Brüder und Schwestern, sie haben einmal gelebt, es gab sie, und sie sind eines gewaltsamen Todes gestorben! Wie könnte ich da ihr Wehklagen überhören?«
Sennar hatte gehofft, die Zeit würde sie von ihren Albträumen erlösen, doch nun sah er, dass Nihal noch lange nicht frei war.
Irgendwann hörten sie jemanden klopfen.
Und schon lugte ein lächelndes Gesicht hinter der Tür hervor. Als Laio sah, dass ein junger Mann in Nihals Kammer war, erstarrte er. »Ach ..., du hast Besuch ..., dann gehe ich wohl lieber wieder.«
Sennar war nicht weniger überrascht: Sicher, er hatte damit gerechnet, dass Nihal neue Freundschaften schließen würde, aber das Auftauchen dieses Bürschleins verhagelte ihm dennoch die Stimmung.
»Nein, nein, komm ruhig rein. Das ist Sennar, von dem ich dir schon so viel erzählt habe.«
Nihal stand auf und führte ihn herein. »Und das ist Laio, mein Freund und Waffengefährte «
Laio und Sennar gaben sich misstrauisch die Hand.
Die Gedanken des Zauberers begannen zu rasen. Wieso konnte es sich dieses Knäblein erlauben, einfach so Nihals Unterkunft zu betreten? Wie eng war ihre Beziehung wirklich? Nihal hatte ihn als Freund bezeichnet. Gut, aber wie weit mochte das gehen? Und je länger er ihn betrachtete, desto mehr missfiel Laio ihm.
Eine Weile herrschte eisiges Schweigen im Raum. Und plötzlich spürte Nihal etwas ganz Seltsames: ein starkes Unbehagen, das aber eigentlich gar nicht ihr eigenes Gefühl war. Es war, wie wenn man die eigene Stimme hört: Man weiß, dass es wirklich die eigene ist, und doch kommt sie einem völlig fremd vor.
Und um der bedrückenden Situation zu entkommen, sagte sie irgendwann: »Was haltet ihr davon, wenn wir ein wenig rausgehen? Schließlich habe ich heute meinen einzigen freien Tag im Monat.«
Den ganzen Nachmittag über waren sie im Lärm von Makrat unterwegs. Nihal hatte nichts übrig für dieses Chaos und fühlte sich darin noch genauso fremd wie am ersten Tag. Sennar verhielt sich weiterhin sehr zurückhaltend, und Laio kam sich irgendwie überflüssig vor.
Es war kein angenehmer Nachmittag.
Als es für Sennar Zeit wurde, sich zu verabschieden, standen er und Nihal vor dem großen Portal der Akademie.
»Dann bleibst du also erst einmal eine Weile hier ...«, begann Nihal.
»Ja. In der nächsten Zeit habe ich zu lernen, welche Aufgaben auf ein Ratsmitglied abseits der Front zukommen. Das heißt, ich werde dich häufiger besuchen können ...« »Gut, dann also bis bald.«
Nihal verabscheute lange Abschiede. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und machte Anstalten, hineinzugehen, doch in einem plötzlichen Anflug von Mut hielt Sennar sie noch zurück.
»Sag mal ..., wie stehst du jetzt eigentlich zu diesem Laio?«
Nihal blickte ihn verblüfft an und brach dann in Gelächter aus. »Was fragst du denn? Hast du Angst, ersetzt zu werden? Nein, Laio ist doch nur ein Bübchen. Aber er bewundert mich. Und ich fühle mich durch ihn weniger allein. Zudem interessiert es ihn auch nicht, ob ich ein Mensch oder eine Halbelfe bin. Und das will schon etwas heißen, glaub mir.«
»Ja, nein, gewiss ... Ach, ich war einfach nur neugierig. Mehr nicht.«
Nihal schüttelte, immer noch lachend, den Kopf, und gut gelaunt nahmen sie Abschied voneinander.
In den folgenden Monaten wurde Nihals Leben beträchtlich einfacher. Nach dem gründlich misslungenen Auftakt wuchs ihr Malerba jetzt langsam ans Herz. Er war aber auch sehr nett zu ihr: legte im Speisesaal die leckersten Bissen für sie zurück, räumte ihre Kammer auf und brachte ihr hin und wieder sogar ein paar Wildblumen, die Nihal mit einem Lächeln auf den Lippen in Empfang nahm. Seit langem hatte sie niemand mehr so rührend
Weitere Kostenlose Bücher