Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
blickte ihr aber mit Angst und Schrecken entgegen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er noch recht gleichmütig das Schicksal akzeptiert, das ihm seine Familie zugedacht hatte: Der Tag, da er sich auf dem Schlachtfeld bewähren sollte, schien ihm stets so weit entfernt, dass er sich keine großen Sorgen darum machte. Aber nun hallte ihm des Nachts bereits das Klirren der sich kreuzenden Klingen im Ohr. Und würde er auch nicht durch die Hand des Feindes sterben, so mit Sicherheit aber an seiner Furcht.
Nihal versuchte, ihm Mut zu machen, jedoch mit kläglichem Erfolg. Und da sie sah, dass er einfach nicht zum Helden taugte, schlug sie ihm eine Abmachung vor: »Jetzt hör mir mal zu, Laio. Solltest du auf dem Schlachtfeld in Bedrängnis geraten, werde ich da sein, um dir herauszuhelfen. Aber du musst mir versprechen, dass du mit deinem Vater redest und ihn dazu bringst, dass er dich dein Leben so leben lässt, wie es dir entspricht.«
Laio nickte und hoffte dabei aus ganzem Herzen, dass Nihal ihren Schwur halten würde.
Sennar war in Sorge um Nihal, doch die Nachricht, dass sie in den Kampf ziehen würde, traf ihn nicht unvorbereitet: Seit jeher wusste er, dass Nihal erst dann zufrieden sein würde, wenn sie vom Staub des Schlachtfelds gekostet hatte.
Die letzten, im Land der Sonne verbrachten Monate hatten ihm gut getan. Nach den Schrecken des Krieges war es eine Wohltat für ihn, endlich wieder im Frieden leben zu können. Fast schon begann ihm dieses chaotische Land zu gefallen. Zudem war Flogisto, jener Zauberer, unter dessen Anleitung er seine Künste weiter verfeinert hatte, ein ganz außergewöhnlicher Mensch: ein alter Mann unbestimmbaren Alters, gebeugt von vielerlei Gebrechen und mit einem Hang zur Vergesslichkeit. Die Jahre hatten ihn gezeichnet, ihm aber auch die Gabe einer großen Weisheit verliehen, sowie die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen.
Sennar lernte von ihm Geduld, diplomatisches Geschick, Verständnis und Empathie. Dann war er so weit, offiziell seinen Platz im Rat der Magier einnehmen zu können. Zu diesem Anlass plante man eine feierliche Zeremonie im königlichen Palast des Landes der Sonne, mit pompösen Riten, öffentlicher Präsentation in den höchsten Kreisen der Gesellschaft sowie einem abschließenden Festbankett. Alle Köche im Palast waren tagelang mit den Vorbereitungen beschäftigt, und der große Saal wurde prachtvoll geschmückt mit kostbaren Stoffen, antiken Wandteppichen und goldenen Füllhörnern, aus denen sich Früchte aus den entlegensten Winkeln der Aufgetauchten Welt ergossen.
Die Ernennung eines neuen Ratsmitglieds war ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis, und so kamen in Makrat nicht nur die angesehensten Persönlichkeiten aus dem Land der Sonne zusammen, sondern auch die verschiedenen Vertreter der Regenten anderer Länder. Es war eine bunte Festgesellschaft: Generäle in blitzenden Uniformen, andere Würdenträger in vollem Ornat oder einfach Schaulustige, ebenfalls mit größtem Prunk bekleidet, die sich kein gesellschaftliches Ereignis entgehen ließen.
Nach langem Bitten konnte Nihal Raven die Erlaubnis abringen, ebenfalls teilnehmen zu dürfen. An diesem Festtag trug sie endlich wieder ihre eigenen Kleider: Wie hatte sie sie vermisst! Ohne diese entsetzliche Kutte fühlte sie sich jetzt so schön wie nie zuvor. Sie polierte ihr Schwert, bis es funkelte, flocht sorgfältig ihr Haar und begab sich mit einem Lächeln auf den Lippen zum Palast.
Als sie den von einem Lichtermeer erhellten und mit Stuck und Fresken überladenen Festsaal betrat, waren es nicht wenige Gäste, die plötzlich verstummten. Unter den eleganten Damen, Zauberern in Festgewändern und Edelleuten jedes Ranges konnte ein Mädchen in lederner Kampfmontur, mit blauen Haaren und militärischem Schritt nicht unbeobachtet bleiben.
Während sie die verwunderten Blicke auf sich spürte, kam sich Nihal plötzlich völlig deplatziert vor. Zum ersten Mal in ihrem Leben hätte sie gerne ein richtiges Kleid getragen, einen langen Rock, Schmuck und ein verführerisches Dekolletee. Herrje! Was will ich eigentlich hier?
Dann jedoch erblickte sie Sennar.
Sein Haar war lang und ungekämmt, und er hatte sich nicht rasiert. Zudem trug er sein altes schwarzes Gewand, jenes von seiner ersten Aufnahmefeier mit dem auf die Brust gestickten roten Auge. Man hatte alles Mögliche versucht, ihn dazu zu bringen, sich davon zu trennen.
»Warum sollte ich?«, hatte er geantwortet. »Das ist kein
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