Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Interessen zu tun ist. Nicht alle natürlich. Aber manchmal kann einen die beschränkte Sichtweise einiger Ratsmitglieder schon erschrecken ... Aber egal, im Moment möchte ich mir keine Gedanken darüber machen. Jetzt erwartet mich zunächst wieder die Front im Land des Windes. Da gilt es, die Ärmel aufzukrempeln. Alles zu seiner Zeit. Mit den Machenschaften im inneren Kreis werde ich mich später auseinander setzen.«
Nihal verstand nicht ganz, worauf er hinauswollte. Für sie waren alle Mitglieder des Rates Helden, die sich der Rettung der Aufgetauchten Welt verschrieben hatten. Doch Sennars Worte ließen ein vages Gefühl der Sorge in ihr aufkommen.
In der folgenden Woche erfuhr Nihal, dass sie und Laio bereits in den nächsten Tagen ins Land des Windes aufbrechen würden. Fast hatte sie den Verdacht, Sennar habe hier seine Finger im Spiel und vielleicht darauf gedrängt, dass sie in sein Gebiet geschickt würden. Die Sache missfiel ihr durchaus nicht: So bestand vielleicht die Möglichkeit, dass sie unter Fens Kommando kämpfen würde, und diese Aussicht verlieh ihr Flügel. An einem Morgen im Spätsommer setzten sie sich in Marsch.
Sie bestiegen einen breiten hölzernen Karren, der mit einer großen, auf vier Eisenstützen ruhenden Plane überspannt war, die sie gegen die Wetterunbilden schützen sollte.
Dieser Karren reihte sich in einen langen Zug ein, der Versorgungsgüter und Soldaten zur Front brachte. Und die Reise begann.
Sie durchquerten Landschaften und Dörfer. Wo sie vorüberkamen, liefen die Menschen neugierig aus ihren Häusern, und die Kinder winkten ihnen zu. Ihre Mienen wirkten arglos, so als wüssten sie nicht, dass jener Zug ein Vorbote des nahen Krieges und nicht einfach eine interessante Abwechslung war.
Sie kamen durch die Wälder im Land des Meeres und die sattgrünen Felder im Land des Wassers. Nihal umklammerte ihr Schwert und dachte an Livon.
Sie erinnerte sich, wie er in seiner Werkstatt stand, damals, als er ihr noch wie ein Riese vorkam, schwarz vom Ruß und von Funken umschwirrt, die von den glühenden Eisen aufflogen. Sie dachte zurück an die Abende, wenn er ihr, dem kleinen Mädchen, Geschichten aus dem Krieg erzählte. Und sie dachte an ihre Zweikämpfe, durch die sie das Schwert zu lieben gelernt hatte. Schließlich hatte sie auch wieder die Szene seines Todes vor Augen, und unterwegs zu den unbekannten Risiken der Schlacht, klammerte sie sich fest an ihrer Wut.
Irgendwann gingen die sanften Landschaften im Land des Wassers in Steppe über. Einen Augenblick lang glaubte Nihal, ihr Heimatland erwarte sie so, wie sie es mehr als ein Jahr zuvor zurückgelassen hatte, doch dann hallten Sennars Worte in ihrem Kopf wider: Am ersten Tag traute ich meinen Augen nicht. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass jene trostlose Gegend unser Land des Windes sein sollte. Aber am schlimmsten war die Erinnerung daran, wie dieses Land einmal war. . .
Bald schon verstand Nihal, was er damit gemeint hatte.
Der erste Eindruck war: Leere und Stille. Meile um Meile verödete Ebene, überzogen mit gelbem, wie von der Sonne gedörrtem Gras. Auch um die Mittagszeit wurde es nicht richtig hell, und mühsam kämpfte sich die Sonne durch die dichten Rauchschwaden.
Dann tauchten die ersten Ruinen auf. Von Flammen geschwärzte Turmstümpfe, eingestürzte Mauern, und zwischen den Trümmern verlorene Blicke, die verschreckt die Karawane beobachteten. Aufgegebene, den Krähen überlassene Felder, niedergebrannte Acker und Gärten, aus denen verkohlte Baumstümpfe hervorragten. Und schließlich die Leichen. Meistens Bauern, Kinder und Frauen. Manchmal auch Soldaten. Und zwischen den Toten stöberten die Lebenden herum und plünderten alles, was sie finden konnten.
Die Ebene, die Nihal so häufig vom höchsten Punkt Salazars aus bewundert hatte, lag jetzt unter einer schweren Glocke des Todes.
Kaum hatte der Zug das Kriegsgebiet erreicht, waren die angehenden Ritter auf dem Karren verstummt.
Auch Laio blickte sich immer erschrockener um. Diese ganze Zerstörung war für ihn überhaupt nicht zu begreifen.
»Und hier hast du gelebt?«
Nihal nickte nur stumm.
Sie hatten schon viele Meilen zurückgelegt, als sie die ersten Befestigungsanlagen und Lager der Armee erreichten. Um sie herum waren kleine Zeltstädte entstanden, in denen Überlebende hausten. Zerlumpte Kinder sprangen auf, wenn sie die Karawane sahen, rannten ihnen nach und bettelten um Essen.
Beim ersten Mal warfen die jungen Krieger auf
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