Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Im Nu hatten die Bestien das Gelände vor dem Turm eingenommen und fielen den Soldaten in den Rücken.
Vom Schlachtenlärm umtost, stand Nihal mit pochendem Herzen da und verspürte den unbändigen Trieb, sich in den Kampf zu stürzen. Das Warten zerrte an den Nerven, doch ohne Befehl konnte sie nicht eingreifen. Dies war das Erste, was man ihnen beigebracht hatte: allen Befehlen zu gehorchen. Sie beobachtete die kämpfenden Ritter auf ihren Drachen und meinte gar, Fen ausmachen zu können. Dann blickte sie zu Laio, der zitternd neben ihr stand und sich auf die Lippen biss, dass sie fast bluteten. »Bleib ganz ruhig, hab keine Angst«, redete sie ihm zu, doch auch sie selbst bekam diese Mischung aus Angst, Kampfeslust und Erregung kaum in den Griff. Dann plötzlich kam der Befehl.
Ein Schrei, und ihr Trupp ging zum Angriff über.
Wie von Sinnen rannte Nihal auf die Befestigung zu.
Etwas verschwommen sah sie Hunderte von Menschen im Kampf vor dem Turm. Sie sah die Fammin, die immer näher kamen.
Und augenblicklich war sie ganz erfüllt von Hass, Wut und Rachedurst. Sie begann zu kämpfen.
Nihal wusste sehr gut, dass man im Zweikampf alles vergaß, doch hier auf dem Schlachtfeld war es noch einmal etwas vollkommen anderes.
Sie hatte gar kein Zeit zu irgendeinem Gedanken: Wie eine Maschine bewegte sie sich und ließ sich nur noch vom Zorn lenken. Alles, was sie war, schmolz zusammen auf ihre körperliche Existenz, auf die Tatsache, dort zu stehen und zu töten. Aus allen Richtungen stürmten Fammin auf sie ein. Und in alle Richtungen schwang sie das schwarze Schwert und traf genau. Nihal wusste in jedem Augenblick, was um sie herum geschah, wen sie zu treffen hatte und auf welche Weise.
Den ersten Feind streckte sie mit Schwung aus vollem Lauf nieder. Dann ohne Unterbrechung unzählige weitere.
Sie vergaß sich ganz, rückte nur noch vor, Schritt für Schritt, tötete Feind auf Feind. Es war ein infernalisches Getümmel. Männer, die auf andere Männer stürzten, Fammin, die Soldaten an den Hals sprangen. Und diese Bestien gaben sich nicht damit zufrieden, mit Schwertern und Äxten zuzuschlagen. Nein, sie zerfleischten ihre Gegner auch mit den Zähnen, zerrissen sie mit ihren Klauen, vergingen sich sogar noch an jenen, die gefallen am Boden lagen.
Überall Hunderte von Leichen: Männer, Fammin, Gnomen. Das Gras war rot und glitschig. Ströme von Blut gingen wie Regen aufs Schlachtfeld nieder. Doch Nihal dachte nur daran zu kämpfen, zu töten, zusammen mit den anderen Soldaten Elle für Elle des Geländes zu erobern. Immer wieder trat sie gegen Leichen, besudelte sich mit Blut.
Sie hatte keine Angst, sie war nicht entsetzt über das, was sie sah, den Tod, der sie umgab, das Leid der Verwundeten. Um sich schlagen und Feinde niedermachen — nur das zählte.
Dann irgendwann begann sie auch das wahrzunehmen, was im weiteren Umkreis vor sich ging. An den Schatten auf dem Boden erkannte sie die Stellung der Drachenritter und dieser vogelähnlichen Wesen, die aus der Festung geflogen kamen. Und aus dem Schlachtenlärm hörte sie immer deutlicher die Befehle heraus, die der General ihnen zubrüllte.
Irgendwann hatte sie sich bis zur Turmmauer vorgekämpft, als ein Guss siedenden Öls ihren Arm streifte.
Da sie einen Moment lang von hinten Deckung hatte, konnte sie hinaufblicken: Auf den Zinnen standen Fammin und gössen in regelmäßigen Abständen riesige Kessel mit sieden dem Öl auf die Angreifer hinunter. Sie fühlten sich sicher, denn der Pfeilhagel war lichter geworden, weil den Bogenschützen allmählich die Munition ausging. Nihal rannte ein Stück um den Turm herum, bis sie eine Art Nische gefunden hatte, die ihr Deckung bot. Sie atmete einmal tief durch und lehnte sich dann aus ihrem Versteck hervor.
Einen Fammin konnte sie erkennen, aber nur einen zu töten, war zu wenig: Um die Mauer überwinden zu können, musste zumindest eine ganze Turmseite vom Feind entblößt werden.
Fieberhaft blickte sie sich um.
Nicht weit von sich sah sie einen Soldaten, der vom Turm gestürzt war. Neben ihm einen Bogen. Nihal rannte aus ihrem Versteck, wich dabei geschickt den heißen Ölgüssen aus und suchte dann wieder Deckung.
Eine Reihe von Pfeilen lagen auf dem Boden verstreut oder staken in den Mauerritzen. Nihal sammelte einige ein und steckte sie in ihren Gürtel. Dann legte sie den ersten an die Sehne und sprang aus ihrem Versteck. Der Pfeil schnellte los, und schon sank ein Fammin getroffen nach hinten
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