Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
entfernt war eine weitere Mauer eingestürzt.
Sie stapfte weiter durch das Trümmerfeld und begann, Fens Namen zu rufen, doch Antwort erhielt sie nur vom schaurigen Echo ihrer eigenen Stimme.
Sie rief lauter. Nichts. Nur das Echo und das Prasseln des Feuers.
Irgendwann blieb sie stehen und begann, in den Trümmern zu wühlen. Sie räumte Steine zur Seite, scharrte im Schutt, drehte mächtige, noch heiße Quader um. »Fen!«
Ihre Handflächen rissen auf. »Fen, wo bist du?«
Sie brach sich die Fingernägel ab, bis die Kuppen bluteten. Aber sie grub weiter. Warme Tränen liefen ihr übers Gesicht.
»Fen, so antworte doch! Ich bin's. Nihal.«
Ihre Stimme wurde klagend, ihren Blick verschleierten Tränen.
Sie stand auf und taumelte weiter. Er ist nicht tot, nein, er ist nicht
tot.
Dann sah sie ihn. Einen riesengroßen leblosen Rumpf, ein gutes Stück entfernt. Ein verbrannter Drache. Sie schrie auf und rannte zu ihm.
Es hätte jeder beliebige Drache sein können, aber im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass es Gaart war. Nun brachen alle Dämme, und sie begann haltlos zu schluchzen. Die mächtigen Schwingen ausgebreitet, lag Gaart am Boden.
Am liebsten hätte sich Nihal unter einem dieser Flügel verkrochen.
Fen lag daneben, auf dem Rücken, scheinbar unverletzt. Nur unter seinem Kopf hatte sich eine große schwarze Blutlache ausgebreitet, die auch sein Haar tränkte. Wie in Trance starrte Nihal ihn fassungslos und ungläubig an. Wie bleich er ist. Sogar ihre Tränen versiegten.
Sie beugte sich hinab, streckte die Hand aus und berührte sanft seinen Arm, rüttelte ihn ein wenig, wie um ihn zu wecken. Seine Haut war kalt, und das in dieser Feuerhölle. Sie kniete sich neben ihn und versuchte, ihn noch einmal wachzurütteln, und noch einmal, schüttelte ihn immer heftiger und schrie seinen Namen.
Als der Veteran am Morgen das Zelt betrat, fand er Laio in Tränen vor. »Ich bin eingeschlafen ... Herrje, ich bin eingeschlafen, und sie ist fort ...«, schluchzte er immer wieder.
Sie suchten Nihal im ganzen Lager, und dann in den umliegenden Bereichen. Der Suchtrupp, der Fen und den anderen Vermissten nachspüren sollte, wurde zusätzlich mit der Suche nach der Halbelfe beauftragt.
Trotz allem rief man die Schüler der Akademie zusammen, um ihnen den Ausgang ihrer Prüfungen mitzuteilen. Sie hatten viel Glück gehabt: kein Toter, nur ein Verwundeter. Drei von sechs hatten bestanden: aufgrund ihres Mutes in der Schlacht, ihrer Fertigkeiten im Kampf sowie ihres Vermögens, schwierige Situationen auch ohne fremde Hilfe zu meistern. Darunter auch Nihal.
Der Suchtrupp brauchte nicht lange, um Fens Leiche zu finden. Zwei der drei Vermissten entdeckte man schwer verwundet im Gehölz um den Turm. Der vierte Ritter war spurlos verschwunden. Wahrscheinlich hatte man ihn gefangen genommen, ein Schicksal, das schlimmer sein mochte als der Tod: Die wenigen Gefangenen, denen die Flucht aus Dolas Kerkern geglückt war, hatten von den entsetzlichsten Folterungen berichtet.
Auch von Nihal fand man keine Spur.
Im Lager schloss man daraus, dass sie einfach das Weite gesucht hatte. Vom Tode Fens in Kenntnis gesetzt, hatte Sennar ein Pferd bestiegen und war umgehend aufgebrochen. Die ganze Reise über dachte er nur daran, was dieser Tod für Nihal bedeuten mochte. Im Lager angekommen, erfuhr er, wie berechtigt seine Befürchtungen waren.
»Was zum Teufel soll das heißen, sie ist fort?«
»Das heißt, dass sie am Abend nach dem Tod des Ritters ihre Habe zusammengepackt und ein Pferd gestohlen hat und auf und davon ist. Ganz einfach«, antwortete ihm ein Soldat.
Sennar eilte zum General. Er war außer sich. »Ich erfahre gerade, dass die junge Rekrutin verschwunden ist.«
Der betagte Soldat nickte. »Das ist richtig.«
»Nichts ist richtig, verflucht noch mal! Ja, wart Ihr denn nicht darüber unterrichtet, dass sie die letzte Halbelfe der Aufgetauchten Welt und ihre Existenz von großer Bedeutung ist?«
Der General ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Was mich betrifft, so war sie lediglich eine Rekrutin. Sie hat ihre Prüfung bestanden, was sie danach tut, geht mich nichts mehr an.«
»Aber Ihr seid für das Leben der Rekruten verantwortlich, General.«
»Ganz recht: Für ihr Leben. Und dieses Mädchen hat ihre Probe heil überstanden. Erst danach ist sie fort. Und dafür bin ich nicht mehr verantwortlich.«
»Schon, aber sie gehört doch zu Eurem Heer. Lasst Ihr denn vermisste Soldaten etwa nicht suchen?«
Der
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