Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
und erinnerte daran, wie sehr ihn alle geschätzt hatten, innerhalb und außerhalb des Heeres, wegen seiner Tüchtigkeit als Krieger, seiner moralischen Integrität, seiner Besonnenheit.
Sennar wohnte der Feier mit aufrechter Trauer bei.
Zwar war ihm der Ritter als Mensch anfangs nicht besonders sympathisch gewesen er hatte ihn als zu starr empfunden, zu streng, zu stark auf den Krieg konzentriert —, doch er konnte nicht leugnen, dass er in den Monaten seiner Lehrzeit an der Front gut mit ihm zurechtgekommen war. Fen hatte seine Ansichten immer in Betracht gezogen, ohne sich von der Tatsache beeinflussen zu lassen, dass Sennar noch so jung und zudem ein Schüler der Frau war, die er liebte. Und zudem war er in den schwierigsten Momenten auch für Nihal dagewesen. Der Zauberer dachte auch an Soana, die durch die Welt reiste und nicht ahnte, dass ihr Geliebter in der Schlacht gefallen war. Dann wurden die Scheiterhaufen entzündet, und die Flammen verzehrten die sterblichen Überreste der beiden Ritter. Der Wind verteilte den aufsteigenden Rauch in alle Himmelsrichtungen.
Es war Brauch, dass alle, die dem Verstorbenen nahe standen, am Scheiterhaufen eine Fackel entzündeten. Sennar hatte das Gefühl, diese Geste übernehmen zu müssen: für Soana, für Nihal, und im Grunde auch für sich selbst. Und so trat er an das Feuer heran, zusammen mit zahlreichen anderen: Soldaten, Rittern, Zivilisten.
Es geschah in diesem Moment, dass er eine Gestalt in einem schwarzen Umhang erblickte. Sie hielt einen Zweig in der Hand, an dessen Spitze ein Flämmchen glomm. Sofort keimte Hoffnung in seinem Herzen, und er bahnte sich einen Weg durch die Menge, doch im nächsten Augenblick schon war die Erscheinung verschwunden, und es wäre unmöglich gewesen, sie unter diesen vielen Menschen zu finden. Erst als die Scheiterhaufen fast niedergebrannt waren und sich die Leute zu zerstreuen begannen, machte sich Sennar auf die Suche. Zwei-, dreimal erblickte er kurz etwas von einem schwarzen Umhang, der aber dann sogleich wieder aus seinem Blickfeld verschwand. Doch diese Gestalt war da, ganz in seiner Nähe.
Er beschleunigte seine Schritte, umkurvte Schüler und Soldaten und erreichte sie. Er berührte ihre Schulter. »Nihal.«
Sie war es tatsächlich, blass, verdreckt, so als habe sie eine lange Reise hinter sich. Einen Augenblick lang schauten sie sich an.
»Nicht hier, folge mir«, sagte sie zu ihm.
Schweigend standen sie nebeneinander auf der Aussichtsterrasse von Makrat und blickten zur Feste des Tyrannen in der Ferne. Sennar streichelte ihr sanft über die kurzen Haare. Wie ein Küken, dachte er.
»Willst du reden?«
Nihal schüttelte den Kopf.
»Sagst du mir wenigstens, wo du gewesen bist?«
»Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.«
»Das verstehe ich ja. Aber wo warst du? Was hast du gemacht?«
Nihal antwortete nicht.
»Und was hast du jetzt vor?«
»Ich will in die Akademie zurück. Schließlich habe ich die Prüfung bestanden und damit ein Recht auf einen eigenen Drachen. Hast du mit Raven gesprochen?« »Ja. Er hat gesagt, er würde eine Strafe für dich finden. Mehr nicht.«
Nihal stand auf und machte sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg zur Akademie. Sennar lief ihr nach. Es war zum Verzweifeln. Er fühlte sich vollkommen machtlos. »Warum willst du denn nicht reden? Warum machst du dir nicht mal Luft? Weine, lache, tu irgendetwas, zeig mir, was dir durch den Kopf geht!«
Nihal ging schnurstracks weiter.
»Tu was, Nihal, lass dich nicht vom Hass auffressen. Sag etwas, ich bitte dich.« Das Mädchen blieb stehen und sah dem Freund in die Augen. »Es gibt nichts zu sagen, Sennar. Fen ist tot, das ist alles. Und jetzt muss ich zur Akademie.«
Raven hatte sich auf das Gespräch vorbereitet.
Er würde brutal sein und aggressiv, höhnisch und bedrohlich, doch Nihals Auftreten nahm ihm sofort den Wind aus den Segeln.
»Ich weiß, dass ich gefehlt habe und erbitte Eure Vergebung. Jede Strafe, die Ihr mir auferlegt, ist mir recht. Ich schwöre Euch, dass es nie wieder vorkommen wird. Das Einzige, woran mir liegt, ist, meine Ausbildung in der Akademie fortsetzen zu können.« Sie kniete vor seinem Sessel nieder und beugte das Haupt. »Ich bitte Euch inständig, General.«
Raven war beeindruckt von Nihals Verhalten, und mehr noch von ihrem Blick. In ihm erkannte er die ganze Entschlossenheit, zu der dieses Mädchen fähig war. Sie hatte ihren Weg gewählt und tat alles, um zu ihrem Ziel zu gelangen: sogar, sich vor
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