Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
von dort aus versuchen, weiteres Gelände im Landesinnern zurückzugewinnen. Die Beratungen, bei denen alle Einzelzeiten der Aktion besprochen wurden, begannen eine Woche vor dem geplanten Angriffsdatum, und alle Drachenritter nahmen daran teil. Nihal, die sich zuvor nie für strategische Fragen interessiert hatte und den theoretischen Unterricht zu Zeiten ihrer Ausbildung in der Akademie immer todlangweilig fand, leistete hier zum ersten Mal ihren Beitrag. Allerdings hatte sie, obwohl noch nicht einmal ein Jahr an der Front, bereits viele Schlachten mitgekämpft, sodass es ihr an Erfahrung nicht mangelte. Als sie der Versammlung nun ihren Vorschlag unterbreitete, wie die Truppen ins Feld zu führen wären, war sie darauf vorbereitet, dass er abgeschmettert würde.
Der General aber hörte ihr aufmerksam zu und erklärte dann: »Keine schlechte Idee. Dir und Ido unterstelle ich also die Einheiten auf der Ostflanke, das heißt hundert Mann für jeden von euch. Wenn ihr seht, dass wir uns ein wenig zurückziehen, greift ihr sofort an und kesselt sie seitlich ein.«
Verblüfft nahm Ido die Pfeife aus dem Mund. »Es geschehen noch Zeichen und Wunder«, murmelte er Nihal zu und steckte sich dann mit zufriedener Miene die Pfeife wieder in den Mund. Nihal konnte ein Lächeln kaum unterdrücken. Dafür hatte sie gleich zwei Gründe: Zum ersten Mal durfte sie eine Schar Soldaten befehligen, vor allem aber würde sie Gelegenheit haben, an Dola heranzukommen.
Am Morgen der Schlacht war ihr Herz in Aufruhr. Während sie an der Spitze ihrer Männer, gefolgt von Oarf, durch die Steppe marschierte, versuchte sie vergeblich, sich zu beruhigen. Bis zu diesem Tag war es ihr immer gelungen, sich zu zügeln. Es war das, was Ido sie gelehrt hatte: Abgeklärtheit, Vorsicht, Selbstbeherrschung. An diesem Morgen aber gelang es ihr nicht, auch nur länger als eine Minute konzentriert zu bleiben. Seit dem Aufwachen hatte sie fast unablässig an Sennar gedacht. So erging es ihr immer, wenn etwas Wichtiges vor ihr lag oder ihr Leben an einem Wendepunkt stand: Dann fragte sie sich, was er an ihrer Stelle tun würde. Seit er aber auf große Fahrt gegangen war, fragte sie sich nur noch, ob sie ihn jemals wiedersehen würde. Ido an ihrer Seite schien hingegen die Ruhe selbst. Hoch auf Vesa sitzend, rauchte er seine Pfeife, während sein Drache schwerfällig durch das Steppengras trottete. Der Gnom schaute zu ihr hinunter, als sie sich gerade den Schweiß von der Stirn wischte. Sie war blass. »Alles in Ordnung?«
»Klar. Mir ist nur zu warm ...«
»Ich habe dich schon lange nicht mehr so nervös ge- Sie hob das Gesicht und rang sich ein Lächeln ab. »Ich hab eben noch nie selbst Soldaten in den Kampf geführt«, antwortete sie, doch Ido blickte sie unverwandt an. Nihal fragte sich, wie er es schaffte, jederzeit ihre Gemütslage zu erraten. Genau wie Sennar ...
»Es ist doch eine Schlacht wie jede andere«, sagte der Gnom.
Nihal verzog wieder die Lippen zu jenem unerträglich gezwungenen Lächeln, das sich unweigerlich in ihr Gesicht stahl, wenn sie ihrem Lehrer etwas verheimlichen wollte. Als endlich das feindliche Lager in Sicht kam, ein ockerfarbener Streifen am Horizont, verschwanden alle Gedanken aus Nihals Kopf, und ihr Herzschlag beruhigte sich. Auf einer Anhöhe machten sie Halt. Unter ihnen erstreckte sich eine Reihe von Zelten in einem verblichenen Braunton, es waren mindestens fünfzig, die im Umkreis von einer halben Meile in gleichmäßigen Kreisen angeordnet waren. Der Gestank der Tiere, die man dort hielt, drang bis zu ihnen herauf und kratzte ihnen in den Kehlen. In der Mitte erkannten sie ein Gebäude aus schwarzem Holz. Dola. Das ist Dolas Hütte, sagte sich Nihal, und ihr Herz begann zu rasen. Und die Schlacht begann. Während die Fußsoldaten den Hügel hinabstürmten und mit großen Schritten, immer auf das feindliche Lager zu, die Ebene durchmaßen, zog Nihal ihr Schwert, das blendend in der Sommersonne funkelte, und schwang sich auf Oarfs Rücken. Vesa stellte sich neben sie. Auch Ido hatte sein Schwert gezogen und hielt es fest in der Faust. Mehr als einmal hatte Nihal sich schon gefragt, woher diese ungewöhnliche Waffe stammen mochte: Ins Heft eingeritzt, waren eigenartige Symbole zu erkennen, einige mutwillig unkenntlich gemacht, andere wiederum besonders tief eingraviert. Es waren wohl Runen, offenbar aus einer Sprache, die sie nicht kannte.
sehen.«
»Beim ersten Anzeichen eines Rückzugs stürmen wir los«,
Weitere Kostenlose Bücher