Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
bitteres Lachen erklingen. »So verging die Zeit, und mein Leben verflog. Aber heute bin ich dankbar für diese Strafe, denn durch sie konnte ich mich aus der Sklaverei des Tötens befreien und wieder ich selbst werden.« Megisto blickte Nihal in die Augen. »Doch all jene Geschöpfe, die ich getötet habe, kehren nicht mehr zurück, Nihal, und mit keiner noch so schweren Strafe kann ich für ihr Leben bezahlen.«
Einige Augenblicke hielt Nihal Megistos Blick stand. Dann senkte sie den Kopf. »Ich spüre aber, dass Dola von keiner anderen Hand als der meinen fallen kann. Ich spüre es einfach, verstehst du?«
»Setze lieber deine Suche nach dir selbst fort, Drachenritter. Du hast erst ein kurzes Stück jenes Weges zurückgelegt, der dich zur Wahrheit führen kann.«
»Das will ich auch, und es ist ja nicht Rachedurst, der mich dazu treibt, Dola das Handwerk zu legen!«, erwiderte Nihal erregt. »Früher habe ich für die Toten gekämpft, Megisto. Heute kämpfe ich für mich selbst. Doch Dola will ich besiegen für alle jene, die unter seinem Joch leben müssen.«
Der Alte sah sie an. »Sprich weiter.«
»Ich schwöre dir, dass ich ihn nicht töten werde, Megisto«, fuhr Nihal, nun ruhiger, fort. »Ich werde nicht Rache nehmen durch sein Blut, sondern ihn als Gefangenen ins Lager schaffen. Und von da an soll sein Schicksal nicht mehr meine Sache sein. Daher bitte ich dich: Hilf mir.« Eine Weile, die Nihal unendlich lang vorkam, verharrte Megisto in Gedanken versunken. »Komm morgen Nacht wieder her«, sagte er schließlich, während das Morgengrauen den Himmel bereits langsam in ein tiefblaues Licht tauchte.
Nihal stand auf und legte sich den Umhang um. »Danke«, sagte sie zu dem Fels, der gerade noch Megisto gewesen war.
Nach dieser langen Nacht schlief Nihal bis zum Mittag.
Als sie aus der Hütte trat, stand sie Laio gegenüber. »He, was ist los? Willst du zum Langschläfer werden, Drachenritter?«, sagte er und musterte sie von oben bis unten.
»Ich war nur müde«, antwortete Nihal ausweichend. Laio hatte ihre Entscheidungen zwar immer unterstützt, doch jetzt hatte sie Grund zu glauben, dass er ihren nächtlichen Ausflug nicht gutheißen würde.
Ungeduldig wartete sie auf die Nacht, und kaum dass es dämmerte, flog sie auf Oarf zur Lichtung zurück.
»Ich hatte gehofft, dass du nicht kommen würdest«, begrüßte Megisto sie, als sie auf ihn zutrat. »So leicht gebe ich nicht auf.«
»Das habe ich schon gemerkt.« Der Greis deutete ein Lächeln an. »Und nun hör zu.« Wie in der Nacht zuvor setzte sich Nihal Megisto gegenüber in das Gras.
»Der Zauber, den ich dir beibringen werde, gehört zum Schatz finsterer Mächte«, begann der Alte, während er Nihal streng anblickte. »Er gründet sich auf Hass und bezieht daraus seine Kraft. Soll dieser Zauber gelingen, musst du dich ganz und gar auf den Hass und die Verzweiflung besinnen, die du in dir trägst. Du musst dir alles in Erinnerung rufen, was du scheinbar vergessen hast, musst die zerstörerischen Gefühle wieder zutage bringen, die du begraben hattest, musst dich auf jenen Teil deiner selbst stützen, den du dir in den letzten Jahren aus der Seele zu reißen versuchtest.« Megisto hielt einige Augenblicke inne, bevor er Nihal fragte: »Nachdem du all das gehört hast – willst du immer noch die verbotene Formel lernen?«
»Ja«, antwortete Nihal entschlossen. »Lass uns beginnen.«
»Ich bin noch nicht fertig«, bremste sie der Greis. »Gestern hast du etwas geschworen. Natürlich glaube ich dir, weiß aber auch, wie schwankend dein Herz ist. Und um zu verhindern, dass noch mehr Tote meine Seele belasten, werde ich dich, wenn ich dir den Zauber erklärt habe, mit einem Siegel belegen: Solltest du versuchen, die verbotene Formel mehr als einmal zu nutzen, wirst du sterben.«
»Einverstanden«, erklärte Nihal, ohne zu zögern.
»Gut, so sei es«, seufzte Megisto. »Aber bereite dich darauf vor, in einen tiefen Abgrund zu stürzen. Hoffentlich bist du stark genug, um das auszuhalten.«
Nihal lief ein Schauer über den Rücken. Die Vorstellung, all das noch einmal zu durchleben, was sie so lange gequält hatte, schreckte sie, doch in ihrem Blick war kein Zaudern zu erkennen.
Der Greis schlug die Beine übereinander, und die Ketten rasselten. »Der verbotene Zauber, der Dola so stark macht, wird Schwarze Flamme genannt«, begann er. »Mit ihm lässt sich Lebloses zum Leben erwecken: Zu einem starken, mächtigen Leben, gehärtet durch den
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