Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
stach.
Nihal gab sich damit zufrieden, mitten unter den Zuschauern und nicht in der ersten Reihe zu stehen. Sennar hingegen wandte dem Aufbau den Rücken zu.
»Du willst es gar nicht sehen, nicht wahr?«, fragte das Mädchen.
»Nein, Nihal. Ich habe noch nie einer Hinrichtung beigewohnt und will mir das auch jetzt ersparen. Für mich ist so eine Enthauptung jedenfalls kein unterhaltsames Spektakel«, antwortete er gereizt.
In diesem Moment führten zwei kräftige Henkersknechte Dola in Ketten auf das Schafott. Der Gnom hatte viele Tage in Gefangenschaft und pausenlose Verhöre erduldet, doch in seinem Gesicht war nicht der leiseste Hauch von Furcht zu erkennen. Er ging aufrecht, erhobenen Hauptes, würdevoll. Als er vor dem Richtblock stand, bedachte er die Menge mit einem Blick, der voller Hohn war, und Nihal spürte, dass sich an ihrem Hass auf dieses Scheusal, der sie dazu getrieben hatte, sich eines verbotenen Zaubers zu bedienen, nichts geändert hatte.
Nun verlas ein Herold das Urteil: »Der Rat der Magier, versammelt im Land des Wassers, verurteilt den Verräter Dola aus dem Land des Feuers zum Tode durch Enthaupten, da er Tausende Unschuldige tötete, den Völkern der Aufgetauchten Welt unsagbares Leid zufügte und danach trachtete, unsere Freiheit zu beseitigen.«
Auf dem Platz machte sich Stille breit, eine Stille voller Anspannung, Genugtuung, Hass und Freude. Als der Henker nun mit dem Beil in der Hand auf den Richtblock zutrat, spürte Nihal ihr Herz schneller schlagen. Sie zählte die Schritte, die das Richtbeil noch von Dolas Haupt trennten, so als könnte sein Tod etwas bewirken, als könnten die Männer, Frauen und Kinder, die Dola umgebracht hatte, durch sein Blut zu neuem Leben erweckt werden.
Sennar ergriff ihren Arm: »Schau genau hin, Nihal, und sag mir, ob dir dieses Schauspiel tatsächlich etwas von deinem Schmerz nehmen kann«, flüsterte er ihr ins Ohr. Dann fuhr das Beil nieder und löschte das letzte höhnische Lächeln Dolas in dieser Welt. Am Nachmittag wurde Sennar eine Botschaft von Dagon überbracht: Es handelte sich um die Einladung zu einer Ratssitzung. Die Versammlung sollte am nächsten Tag stattfinden, und die Tatsache, dass man sie vorverlegt hatte, konnte Sennar nicht überraschen. Seit seiner Rückkehr aus der Untergetauchten Welt hatte eine Besprechung die andere gejagt. Angesichts des bald zu erwartenden Eintreffens der Truppen aus Zalenia schienen die zu klärenden Fragen keine Ende nehmen zu wollen.
Was ihn jedoch überraschte, war die Tatsache, dass Dagon ausdrücklich auch Nihals Anwesenheit wünschte.
»Ich? Was soll ich denn da? Von Politik oder Strategien hab ich doch gar keine Ahnung«, protestierte sie.
»Ehrlich gesagt, weiß ich das auch nicht«, antwortete Sennar nachdenklich.
Bei Sonnenuntergang begaben sie sich zum königlichen Palast, in dem der Rat tagte. Einmal war Nihal bereits dort gewesen, damals, als Sennar seine Aufnahmeprüfung zum Magier abzulegen hatte, hatte sie sich den Ratssaal aber nicht so genau angesehen. Der Palast erhob sich über einem mächtigen Wasserfall, und das Getöse, mit dem das Wasser in den darunterliegenden See stürzte, rief bei Nihal schöne und gleichzeitig schmerzliche Bilder wach. Mit erbarmungsloser Klarheit erinnerte sie sich an jeden in Fens Gesellschaft verbrachten Augenblick, an alle Züge seines Gesichts, an jede seiner Bewegungen, wenn sie sich gemeinsam im Fechten übten. Dagon persönlich begrüßte sie. »Willkommen, Sennar. Und du auch, Drachenritter. Mögen dir immer Glück und Wohlergehen zuteil werden. Der Ruf deiner Heldentaten eilt dir voraus.« Nihal war verwirrt und errötete leicht. An solche Förmlichkeiten nicht gewöhnt, beschränkte sie sich darauf, den Kopf zu senken.
»Ihre Majestät, Astrea, lässt sich entschuldigen. Gern hätte sie euch persönlich willkommen geheißen. Aber die Verteidigung ihres Landes nimmt sie Tag und Nacht in Anspruch«, erklärte Dagon, während er sie durch den verglasten Saal im Eingangsbereich führte.
Nihal riss verwundert die Augen auf. »Auch die Königin hält den magischen Schutzwall aufrecht?«, raunte sie Sennar zu. Der Magier nickte.
Der Palast wirkte unbewohnt. Sie waren eine Weile unterwegs, durchquerten lange Flure mit turmhohen Gewölben und große, stille Säle. Schließlich gelangten sie zu einer Treppe und stiegen unzählige Stufen hinab.
Als Dagon endlich vor einer mächtigen bronzenen Tür stehen blieb, blickte Sennar ihn fragend an.
»Das
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