Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
gefährliches Gut sei. Schon mein ganzes Leben lang frage ich mich, welchen Sinn es hat, dass ausgerechnet ich als einzige Halbelfe überlebt habe ...«
Sennar wandte sich zur Tür, ohne ihr zu antworten. Bevor er hinausging, bedachte er sie mit einem strengen Blick. »Du kannst dein Leben nicht von Geschehnissen abhängig machen, auf die du keinen Einfluss hast, Nihal. Du selbst musst deinen eigenen Weg finden. Eigentlich dachte ich, dass du das mittlerweile begriffen hast.«
Am folgenden Morgen pochte Nihal sehr zeitig an Soanas Tür. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und frühwinterlicher Nebel hüllte den ganzen Palast ein.
»Ich muss Bescheid wissen«, sagte sie nur.
Soana nickte und griff zu ihrem Umhang. »Komm, wir gehen ein paar Schritte.« Die hängenden Gärten lagen genau über dem Wasserfall. Soana lehnte sich an die Brüstung und blickte in die herabstürzenden Wassermassen. »Hast du mir verziehen?«
Die Antwort darauf fiel Nihal nicht leicht: Durch die Entdeckung, dass Ido und Dola Brüd er waren, hatte sie auch wieder daran denken müssen, was Soana ihr alles verschwiegen hatte. Die Zauberin hatte immer schon von Nihals Herkunft und dem Massaker an den Halbelfen gewusst, ihr aber nie davon erzählt. Sie hatte gewartet, bis sie schließlich selbst dahintergekommen war, und das unter dramatischen Umständen, nämlich durch Livons Tod. Aber nun war so viel Zeit vergangen, dass ...
In diesem Moment erst wurde Nihal klar, dass sie Soana tatsächlich verziehen hatte. Sie blickte ihr in die Augen und nickte.
Soana antwortete mit einem Lächeln. »Ich bin stolz auf dich, Nihal. Du bist eine starke Frau geworden, das erkenne ich in deinem Gesicht. Und natürlich ein fantastischer Drachenritter. Aber gerade deswegen denke ich, es wäre vielleicht besser, wenn du nicht alles weißt ...« Nihal verstand nicht: Soana hatte doch sogar ihr Amt als Ratsmitglied aufgegeben, um sich auf die Suche nach Rais zu machen, ihrer alten Lehrmeisterin, die als Einzige mehr über Nihals Herkunft wissen konnte. »Wieso soll ich denn ...?«
»Warte, hör mir erst mal zu«, unterbrach Soana sie. »Es war eine sehr schwierige Reise. Es gab keine Spuren, denen ich hätte folgen können, und lange Zeit glaubte ich daher, Rais sei vielleicht tot. Länger als ein Jahr habe ich nichts anderes getan, als nach Hinweisen zu suchen. Aber vergebens. Dann endlich traf ich jemanden, der behauptete, sie gesehen zu haben. Und plötzlich wurde ich nachts von seltsamen Träumen heimgesucht, mit undeutlichen Gesichtern, unbekannten Landschaften. Und ich vernahm eine Art Ruf, wie ein Klagen ...«
Nihal zuckte zusammen: Es war genau das, was ihr ständig widerfuhr.
»Je mehr Spuren ich von Rais fand, desto eindringlicher und häufiger vernahm ich dieses Rufen in meinem Geiste. Ich durchstreifte die gesamte Aufgetauchte Welt, sprach mit Hunderten von Personen, kam durch Gegenden, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte.« Soana schwieg einen Moment lang. Die Sonne begrüßte sie jetzt mit ihren ersten Strahlen. »Und vor drei Monaten fand ich sie dann.«
Nihals Stimme zitterte, als sie fragte: »Und was hat sie gesagt?«
»Sie möchte, dass du sie aufsuchst.«
»Sag mir, wo ich sie finden kann«, antwortete Nihal, ohne lange nachzudenken. Soana seufzte. »Ich möchte nicht, dass du das tust. Geh nicht zu ihr!«
Wie Felsblöcke krachten diese Worte in den morgendlichen Frieden. Nihal spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. »Aber wieso denn? Du weißt ja nicht, was ich durchgemacht habe, wie viele Fragen mir durch den Kopf gehen!« Sie war aufgewühlt, während Soana die ihr eigene feierliche Ruhe beibehielt.
»Rais hat sich sehr verändert, Nihal. Damals, als sie mich in der Zauberei unterwies, war sie eine selbstbewusste, starke Frau, doch heute ... Irgendetwas Niederträchtiges steckt ihn ihr. Ich hab Angst um dich.«
»Ich hab aber ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren.«
»Schon. Aber es gibt Wahrheiten, die man besser nicht kennen sollte«, antwortete Soana mit ernster Stimme.
Nihal seufzte. Das habe ich in letzter Zeit so oft gehört!
»Ich kann dir nicht verbieten, sie aufzusuchen«, fuhr Soana fort. »Es ist deine Entscheidung. Aber vergiss nicht, dass ich Rais nicht mehr traue.«
»Ich werd dran denken«, antwortete Nihal knapp. »Nun sag mir, wo ich sie finden kann.« Nihal stürmte aus dem Palast. Sie wollte keinen Augenblick länger warten und hatte bereits die Stallungen erreicht, als sie jemanden nach
Weitere Kostenlose Bücher